Hinter den Bergen: Warum du ganz sicher (nicht) aufs Land ziehen solltest

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Ein neues Semester beginnt, der Sommer endet und du fragst dich, ob du am richtigen Ort wohnst? Ich versuche in dieser Kolumne, Antworten zu finden.

Ich wollte immer in die Stadt. Wien war für mich auf einer Ebene mit London, Berlin, Tokyo und New York. Ich hatte keine Ahnung. Meine Geschwister sind deutlich älter und packten an einem Tag einfach ihre Koffer und zogen nach Wien, während sie ihre kleine Schwester in der oberösterreichischen Pampa zurückließen. Sie gingen nach Wien „zum Studieren“, wie sie sagten. Ich sehe sie heute noch vor mir auf der Einfahrt stehen. Meinen Bruder mit einem riesigen Rucksack auf den Schultern und einer kleinen Schwester am Bein hängend. Meine Schwester mit einer Kiste voller Bücher daneben, weinend.

Wien. Für mich schwang mit dem Wort reine Magie mit. Mit jedem Satz malte ich mir die Stadt, das Leben, die Unabhängigkeit bunter aus. Ich wollte sie nie hindern, an diesen wunderschönen Ort am Ende des Regenbogens zu ziehen. Ich habe mir in dem Moment nur gewünscht, dass sie mich mitnehmen würden. Mit meinen Besuchen über die Jahre festigte sich das Bild der Stadt. Mariahilferstraße, Shopping, Pizzaessen, Gürtel, Flex. Ich liebte alles. Ich wollte Wien wie eine Flasche Eristoff Ice exen.

„Auf Wean foan“

Während ich am Land in Oberösterreich versauerte, lebten meine Geschwister ein glamouröses Leben der Sünde in der Stadt. Zumindest stellte ich mir das so vor. Wien war weit weg. Also vielleicht nicht geografisch, aber mental auf jeden Fall. Darum sagt man auch, dass man „auf Wean foan“ würde oder fragt: „Bist schon z’Wean?” 

Ganz, als wäre es nicht die Bundeshauptstadt, sondern ein anderes Land. Meine Geschwister wohnten in einer Wohnung des Studierendenwohnheims. Mein Bruder lebte im Wohnzimmer hinter Vorhängen, meine Schwester in einem winzigen Zimmer dahinter. Ihre Badewanne war ockergelb, genauso wie die Fliesen in der Küche. Nach den Wochenenden in Wien erzählte ich der gesamten Klasse von der neuen Welt. Ich berichtete, von meinem ersten Besuch im Flex, von Cocktails am Gürtel und der Möglichkeit, jeden einzelnen Tag Running Sushi essen zu gehen. 

© BAM | Johanna Lea Lassnig

Ich konnte es nicht mehr erwarten. Ich musste endlich maturieren und nach Wien ziehen. Ganz egal, was ich machen würde, ich wusste, ich musste nach Wien. Wie die Ameisen strömten alle rund um mich aus. Nach Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg und wenn’s nicht anders ging, nach Linz. Als ich bei mir so weit war, lebten meine Geschwister natürlich nicht mehr in der Stadt. Sie sind ins Ausland gegangen und aufs Land gezogen. Ich fragte mich, ob sie wahnsinnig waren, dieses Wien zu verlassen. Sie sagten: Eva, eines Tages wirst du es verstehen. Ich lachte und war mir sicher, sie würden sich irren.

Unironisch älter werden

In wenigen Wochen werde ich nun ernsthaft 30 Jahre alt. Ich bin damit nicht nur offiziell alt, sondern auch in einer Lebensphase, in der alle rund um mich heiraten, Kinder bekommen, ins Mühlviertel ziehen, nach Portugal gehen oder alles zusammen. Ich stelle mit Erschrecken fest, dass meine Geschwister recht hatten. 

Die Ameisen wandern weiter. Mit neuen Partner*innen und/oder einem Kind im Gepäck, wandern sie zurück in den Bau. Und mit Bau meine ich Oberösterreich. Dort, wo das Leben leistbar ist, die Bäume grün und die Straßen nicht dreckig sind. Es werden Reihenhäuser erworben und bei den Eltern ausgebaut oder zumindest ein Community-Garden gekauft oder ein VW-Bus gemietet. Ich frage mich, wann ist das alles passiert? Sind wir nicht gerade erst nach Wien gezogen? Dachten wir nicht gerade erst, diese Stadt würde unsere Träume erfüllen?

© BAM | Johanna Lea Lassnig

Während ich darüber nachdenke, sitze ich in einem Garten in Oberösterreich und blicke auf den Schwimmteich. Ich schaue zu meiner Hündin, die sich im Gras wälzt und in ihren Augen spiegelt sich die Frage: Können wir hier bleiben? Ich blicke durch den Garten und frage mich, warum das Gras auf der anderen Seite tatsächlich immer grüner ist und ertappe mich dabei, auf das Nachbargrundstück zu schielen. Das recht unbewohnt aussieht und frage mich, ob ich auf den Immobilienseiten nachschauen sollte.

Vielleicht, vielleicht doch nicht?

“Da würdest du es keinen Tag aushalten!”, schmettern mir meine Friends sofort entgegen, als ich den Gedanken äußere. Ja, eh, denke ich. Während ich mein Zeug wieder in den Koffer stopfe, bin ich traurig. Was wäre, wenn wir einfach aufs Land ziehen würden?

Ich erinnere mich an ähnlich impulsive Entscheidungen in meinem Leben. Ich erinnere mich an die Idee, dass Stirnfransen mein Leben bereichern würden. Vielleicht ist es mit dem aufs Land-ziehen genauso: Theoretisch eine gute Idee, außerdem super im Trend, alle machen es und trotzdem passt es nicht zu jeder*jedem.

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Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.