Womit veränderst du die Welt, Männerberater Raoul Biltgen?

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Raoul Biltgen ist Psychotherapeut bei der Männerberatung in Wien. Die Männerberatung ist eine Beratungsstelle extra für Männer, die sich unter anderem Themen wie Gewaltprävention, Opferschutz, Arbeitslosigkeit, Identitätsfragen und Beziehungskonflikten widmet. Anhand von vier Objekten erklärt uns Raoul, wie er die Welt, mit dem was er tut, ein kleines bisschen verändert. 

Das Handy als Zeichen für Erreichbarkeit

Raoul erzählt uns gleich zu Beginn, dass viele Männer denken, sie seien alleine mit ihren Gedanken und Gefühlen. Das Handy soll als Beweis dafür stehen, dass dem nicht so ist und dass es durchaus Stellen und Personen gibt, an die man sich wenden kann.

Das kann die Männerberatung sein, die jeden Tag für sämtliche Anliegen bereit steht, aber grundsätzlich kann jede*r ein*e potenzielle*r Ansprechpartner*in sein, wie Raoul meint. Es geht vor allem um das Wissen, dass die Möglichkeit besteht, jemanden zu erreichen, um reden zu können. Und dass man mit seinen Gedanken nicht alleine fertig werden muss, so Raoul.

Das Wörterbuch, das beim Worte finden hilft

Raoul sagt uns auch, dass er in Therapien immer wieder erlebt, dass Männer keine Worte für das haben, was sie denken oder fühlen. Er startet jede Therapie deshalb immer mit der Frage “Wie geht’s?” und merkt dabei, dass viele Männer, die zu ihm kommen, diese Frage nicht wirklich beantworten können. Wenn, dann nur mit zurechtgelegten Floskeln.

„Wenn man etwas nicht beschreiben kann, kann man auch nicht damit umgehen und dann wird man davon geleitet.“

Das Wörterbuch steht also fürs Wörter finden. Bei diesem Prozess steht Raoul den Männern zur Seite. Denn gewisse Dinge sind erst fassbar, wenn man Worte für sie gefunden hat und auch in der Lage ist, diese zu kommunizieren, so Raoul.

Wie eine Marionette an leitenden Fäden hängen

Die Marionette steht für die Muster und Angewohnheiten, die wir uns alle im Leben zulegen. Raoul erzählt, dass jede*r von uns als Kind anfängt in irgendwelche Angewohnheiten reinzurutschen. Angewohnheiten, die in einem bestimmten Zeitraum sinnvoll sind und uns helfen, über die Zeit aber zu sehr festgefahrenen Schienen werden und uns irgendwann leiten. Eben genau so wie eine Marionette von den Fäden, an denen sie hängt, geleitet wird. Raoul sagt, dass diese “Fäden” einen zum Teil halten, gleichzeitig aber auch in der Bewegung einschränken. 

Er sagt auch, dass es grundsätzlich aber gar nicht darum geht, alles an Fäden wegzuschneiden, das heißt, alle Denkmuster und Angewohnheiten ablegt. Man sollte diese aber immer wieder hinterfragen und genau das macht Raoul gemeinsam mit den Männern, die Hilfe bei der Männerberatung bekommen. 

Rezept gibt es dabei keines, sagt er. Das stellt auch die größte Herausforderung in seinem Job dar. Denn was für den einen funktioniert, ist für den anderen das komplett Falsche und so muss Raoul auf jeden individuell eingehen und die passende Lösung finden, um die Männer von ihren metaphorischen Fäden zu befreien.

Viele der Männer, die durch richterliche Anweisungen zur Beratung geschickt werden, empfinden die Hilfe, die sie bekommen, als Strafe. Sie müssen erst lernen, dass das eine großartige Chance ist, sich mit sich selbst zu beschäftigen und dass sie dadurch im besten Fall künftige Straftaten vermeiden können.

Die He-Man Actionfigur als Repräsentant der toxischen Männlichkeit

Traditionelle Rollenbilder, in denen Männer denken, kommen Raoul dabei sehr oft unter. Auch das sind solche Fäden, an denen viele hängen und die einen daran hindern, weiterzukommen, meint er. Der He-Man repräsentiert diese alten, festgefahrenen Männlichkeitsbilder dabei mehr als perfekt.

Raoul sagt, er habe mit so einer Figur in den 80ern gespielt. Da wurde den Jungs auch beigebracht, dass sie so sein müssen wie er und er glaubt, dass das heute nicht viel anders ist. Er habe damals auch mit einer Barbie gespielt und wurde schief angeschaut. Er glaubt, wenn ein Bub jetzt mit einer Barbie spielt, wird er immer noch schief angeschaut und das ist genau das Denken, das es zu durchbrechen gilt.

Raoul findet, dass sich vor allem auf medialer Ebene noch einiges tun muss, um diese klischeebehafteten Rollenbilder aus dem Weg zu räumen. Genauso muss aber auch jeder individuell seine Denkmuster und Verhaltensweisen hinterfragen. Genau das bieten er und seine Kolleg*innen bei der Männerberatung unter anderem an.

Er sagt, dass auch er sich immer wieder ertappt, wie er in Klischeefallen hineinfällt und genau deshalb muss sich jede*r an der eigenen Nase nehmen, um dieses Denken nach und nach versuchen zu überwinden.

Die Männerberatung leistet einen vielfältigen Beitrag zur Aufbrechung von alten Rollenbildern, hilft Männern dabei, mit ihren Gedanken und Gefühlen besser umzugehen und schafft langfristige Hilfestellungen.