Wie es war, hauptberuflich Influencerin in Österreich zu sein

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Viele Reisen, gratis Goodies und ein Leben wie aus dem Bilderbuch – so stellen sich viele den Alltag von Influencer*innen vor. Denise war einige Zeit lang hauptberuflich Influencerin in Österreich und weiß, wie das Berufsleben hinter den Kulissen wirklich aussieht. Sie erzählt dir nun von ihren Erfahrungen und warum sie das Influencer-Dasein schlussendlich wieder an den Nagel gehängt hat. 

Bereits als Kind wusste ich: Wenn ich erwachsen bin, möchte ich vom Schreiben leben können. Ob das als Journalistin oder Autorin sein würde, war stimmungs- und situationsabhängig – oder auch davon, in welches Freundschaftsbuch ich als Naseweis geschrieben habe. 

Um ehrlich zu sein, gab es für mich nie eine andere Option, deswegen habe ich mich nach dem Ende meiner Schulzeit auch für das Studium Germanistik entschieden (wohlwissend, dass es kein Garant für diese berufliche Laufbahn ist). Dass ich dieses Ziel am Ende nicht durch einen Bestseller oder ein bekanntes Magazin, sondern meinen eigenen Blog erreicht habe, sorgt heute noch für absurde Momente in meinem Leben. 

@ Denise Steiner

Als ich meinen Blog ‚Over the top by Chris’ im Mai 2012 erstellte, gab es den Beruf und auch den Begriff des Influencers noch nicht. Mein Ziel war es, eine Plattform für mich und meine vielen Gedanken zu schaffen – nicht einen fünfstelligen Umsatz zu erreichen. Und doch passierte es im Laufe der darauffolgenden Jahre, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht und hauptberuflich Influencerin in Österreich wurde. Mitunter ist diese Fügung das Beste und gleichzeitig Merkwürdigste, was mir bisher passiert ist. 

Promis, Reisen und keine klaren Grenzen

Im Laufe der Zeit, durfte ich internationale Stars interviewen (mein Herz rast jetzt noch bei dem Gedanken daran) und besuchte dieselben Events und Partys wie diverse A-C Promis (und musste feststellen, dass es am Ende des Tages auch nur Menschen mit denselben Grundbedürfnissen wie alle anderen sind). 

Ich wurde in Hotels und auf Reisen eingeladen, inklusive Blicke hinter die Kulissen und Erlebnisse, die bei einer normalen Buchung nie möglich gewesen wären. Und als ein namhafter Automobilhersteller mir für ein Jahr ein Auto zur Verfügung gestellt hat, gebrandet mit meinem Namen und Logo, klingelte ich erstmal meine gesamte Familie durch und kreischte ins Telefon, bevor ich ganz cool auf die E-Mail antwortete.

@ Denise Steiner

Mehr als einmal musste ich während dieser Jahre innehalten und mir selbst vor Augen führen, dass das mein Job ist. Und genau das war das größte Glück, aber auch die größte Schwierigkeit daran. Wie bei vielen Selbstständigen in der Kreativbranche verschwammen auch bei mir die Grenzen zwischen Arbeit- und Freizeit sehr schnell. Hinzu kam außerdem, dass mein privates Leben, sowie meine Ansichten und Emotionen mein Kapital und die Basis meiner Beiträge waren. 

Und nicht zu vergessen, die negativen Stimmen gegenüber Influencer*innen, die sich zusammen mit diesem Berufsbild entwickelt haben. Meine Zeit als hauptberufliche Influencerin in Österreich war gezeichnet vom stetigen Drang, mich beweisen zu wollen – oder vielmehr anderen beweisen zu wollen, dass ich mehr bin als nur ein schönes Foto und ein paar Hashtags auf Instagram. 

@ Denise Steiner

Zusammenhalt und offene Kommunikation

Der große Unterschied zwischen dem internationalen Rest der Influencer*innen-Welt und der in Österreich ist nämlich der: Hier stehen die beteiligten Personen nicht in direkter Konkurrenz, sondern sehen sich als Verbündete. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber gerade im Vergleich mit unseren Nachbarländern konnte ich während meiner Zeit als Influencerin öfter den Zusammenhalt und die offene Kommunikation feststellen, als Neid und Missgunst. Wäre dies anders gewesen, hätte ich den Job vermutlich noch viel früher an den Nagel gehängt. 

So schön das Leben der Meinungsbilder*innen nach außen hin nämlich aussieht, so viel mehr fordert der Job hinter den Kulissen von dir. Neben den üblichen Tasks eines*r jeden Selbstständigen (auch Influencer*innen haben Angst vor dem Brief der SVS), den unklaren Gesetzgebungen, der gefühlt ständigen Online-Präsenz und dem zusätzlichen Druck des negativen Bildnisses der Gesellschaft, arbeitest du in der sich am schnellsten verändernden Branche unserer Zeit. 

@ Denise Steiner

Was heute noch gut ankommt, ist morgen schon wieder out – und darüber was du machst, entscheidet nicht nur ein Trend, sondern all die tausenden Menschen, die dir tagtäglich folgen. 

Den Höhepunkt erreichte dieser Druck im Sommer 2018, wo ich für mich persönlich die Reißleine gezogen habe. Denn innerhalb von vier Wochen war ich auf ein Dutzend beruflichen Reisen unterwegs und die wenigen Tage, die ich zuhause verbracht hatte, waren genauso mit Arbeit gefüllt. Der Monat Juli ging dem Ende zu und ich auch. 

@ Denise Steiner

Von der Fulltime-Influencerin zurück zur Festanstellung in der Agentur

Mit Ende 2019 habe ich dann endgültig beschlossen, den Beruf Influencer an den Nagel zu hängen. Events besuchen, netzwerken, fotografiert werden, alle Social Media Kanäle rund um die Uhr bedienen, Verhandlungen führen, Akquise und Buchhaltung machen, der ewige Trubel um diese Branche: All das erfüllte mich nach acht Jahren nicht mehr. Kurzerhand und mit einem kleinen Hauch von Schicksal entschied ich mich wieder für eine Anstellung bei einer Agentur. Heute bin ich dort Head of Digital, leite ein mehrköpfiges Team und bin teilweise immer noch im Influencerbereich tätig.

Ich habe noch nie bereut, diesen Weg gegangen zu sein. Wäre ich nicht Influencerin geworden, wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Niemals hätte ich die Menschen kennengelernt, die heute nicht nur Freunde, sondern auch Partner*innen bzw. Arbeitskolleg*innen sind. Ich hätte nicht gelernt, zuerst auf meine Bedürfnisse und dann auf die Arbeit zu schauen. Niemals hätte ich so oft meine comfort zone verlassen, nur um daran zu wachsen. 

Das Wertvollste, das ich aus der Zeit mitgenommen habe? Wenn du willst, kannst du alles schaffen. Auch den Kindheitstraum, vom Schreiben leben zu können. 

@ Denise Steiner

Über Denise

Bereits im zarten Alter von sechs Jahren hat die Wahlwienerin beschlossen, die Welt mit ihrem geschriebenen Wort zu beglücken und ist von dieser Entscheidung immer noch überzeugt. Nach fast 10 Jahren in der Hauptstadt arbeitet sie jetzt in einer Kreativagentur, lässt ihren Gedanken auf Instagram und ihrem Blog freien Lauf und hat das Resting Bitch Face perfektioniert.