Von Cringeworthy bis Bingeworthy: Fanfiction und was danach geschehen ist

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Das Internet steckt voller Überraschungen, wie etwa ein neues Thema, für das man sich urplötzlich begeistert und von dem man nicht genug bekommt. Heutzutage kann jeder Werke zu seiner aktuellen Obsession veröffentlichen und Teil einer Community werden. Wie bei Alice im Wunderland reicht ein kleines Kaninchen, das in unserem Beispiel für einen Post über etwas Neues steht, um neugierige User*innen tief in die Parallelwelten verschiedener Fankulturen zu locken. Wir checken ab, in welche Welten man als neugieriger Fan abtauchen kann, um seine kreativen Fähigkeiten zu verbessern und Gleichgesinnte kennenzulernen.

Endlose Lektüre – ohne Shipping-Gebühren 

Alice im Wunderland ist auch ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn ein populäres Werk seinen kreativen Fans als Inspiration dient. Unzählige Texte wurden an den Klassiker von Lewis Carroll angelehnt, Portraits der Charaktere wurden gemalt. Hundert Jahre später noch erfinden Filme die Geschichte immer wieder neu. Bei Alice im Wunderland sieht man, wie aus einem Quelltext immer weiterer Content sprießen kann, solange ein kreatives Fandom dahintersteht.

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Den Kern eines Fandoms bilden Superfans, welche viele Jahre begeistert bleiben oder auch die, die nur wegen eines Trends mitmachen und schon bei der nächsten Station wieder vom Hype Train abspringen.

Wie damals, als 2016 alle zu Pokémon-Fans mutierten, damit sie auch im Wiener Stadtpark ein Glumanda fangen konnten, nur um Selbiges nach der Pokémon Go-Craze genauso im Stich zu lassen, wie die Nintendogs, die seit 2007 nicht mehr Gassi waren (RIP Fluffy).

Wer mehr Content zu seinem Lieblingsthema will, wird im Internet fündig. Sehr beliebt: Fanfiction. Hier werden bekannte Charaktere und Universen von Hobbyautor*innen in neue Geschichten eingebunden, in welchen der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind.

Fanfiction-Werke nahmen vermutlich in den 60ern ihren Anfang. Die Sci-Fi Serie “Star Trek” löste einen derartigen Hype aus, dass es dazu Zeitschriften gab (ja, aus Papier). Dort konnte man eigene Geschichten einsenden (ja, als Brief), welche dann in der nächsten Ausgabe des “Fanzines” von anderen gelesen werden konnten.

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Nur durch das Internet konnte die Geek-Kultur ihre “final form” erreichen. Über die flimmernden Röhrenbildschirme fand man endlich andere, welche die eigenen Interessen teilten. Das war der Anfang der “Fanseiten”. Von Elvis Presley Musikfanseiten bis zu Harry Potter Fanfiction (Lesen auf eigene Gefahr!) war für alle Geschmäcker was dabei.

Diese kleinen Foren wurden oft von nur einer Person betrieben und waren somit nur so langlebig wie das Interesse des Admins. Langfristig haben sich also allgemeinere Seiten wie Wattpad oder fanfiktion.de bewährt, auf denen man quasi alles Mögliche an Fan Content finden und auch selbst mitschreiben kann.

Überall, wo viele Menschen mit viel… nennen wir es… Leidenschaft… über ihre fiktiven oder realen Lieblingsleute fantasieren, kommt es natürlich zu gewissen Auswüchsen. Das geht von oft harmlosen “Shipping”-Geschichten, in denen zwei Charaktere zusammenkommen, welche im Canon eigentlich nicht romantisch miteinander zu tun haben, bis hin zu sehr expliziten Inhalten mit hohem Cringe-Faktor.

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Oft ist es schwierig, vor dem Lesen zu wissen, wo man genau hineingerät. Wer also unbedingt die Art von Geschichte lesen will, in der Harry Potters Mutter noch lebt und mit dem Wendler durchbrennt… sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt!

Von “Art” bis “Entartung” – Das Auge stant mit 

Kein Mensch der großen Worte, aber begnadete*r Künstler*in? Auf Plattformen wie Deviant Art gibt es die gleichen Facetten wie bei Fanfiction… nur eben in Bildform. Somit gilt auch hier “some things can’t be unseen”. Von schrecklichen NSFW-Verbildlichungen davon, was so mancher Creep gerne mit verschiedenen Sonic the Hedgehog Figuren anstellen würde (nope, wir verlinken das hier bewusst nicht), bis hin zu fotorealistischen Portraits des Lieblingsstars, ist wirklich alles vertreten.

Außerdem freuen sich viele Künstler*innen über schöne Zeichnungen, die Fans ihnen zusenden. Wie der Rapper Alligatoah der ein Musikvideo ausschließlich mit Fan Art illustrierte.

Sich selbst in den Lieblingscharakter verwandeln? Cosplay macht’s möglich.

Wer lieber den eigenen Körper als Leinwand benutzt, kann selbst zu seinem Lieblingscharakter werden. Cosplay nennt sich die Kunst, mithilfe von Make-up und Outfits eine fiktive Person darzustellen. Es ermöglicht einem, selbst auch so richtig irgendwie in die Welt des Characters für einige Zeit einzutauchen und einer fiktiven Person etwas Leben einzuhauchen.

© BAM! | Katharina Koberger

You may say I’m a memer – but I’m not the only one…

Keine Geduld zum Zeichnen, keinen Bock auf eine Eigentransformation, aber viel Humor übrig? Das Tolle an Memes ist, dass sie so ziemlich jeder in wenigen Minuten machen kann. Fans haben so die Möglichkeit, Insiderwitze auszutauschen. Natürlich reicht es auch hier von kleinen Communities wie @memes.harrystyles bis hin zu Seiten wie bts_memes auf Instagram, dessen Followerzahl etwa der Einwohnerzahl von Malta entspricht. Die ist übrigens fast 500.000, nur falls du dich gefragt hast.

“Es lädt noch”: Fanvideos im Wandel der Zeit

Besonders vielseitiger Fan Content sind Video-Edits. Als Videobearbeitungs-Software zugänglicher wurde, dauerte es nicht lang, bis man die kreativen Video-Musik-Kompositionen auf YouTube bestaunen konnte. Die Qualität reichte von lächerlichen Pixelhaufen, welche per Windows Movie Maker zusammengeklatscht wurden, bis hin zu semiprofessionellen Produktionen, die mit Hollywood Trailern mithalten könnten.

Heutzutage bevorzugen viele Fans TikTok und machen dort deutlich, wie weit die Technik gekommen ist. Unter den Hashtags #Amv und #Fanedit kann man sich von den editing skills der Gen-Z beeindrucken lassen.

Als eine Art Crossover von Fanfiction und Fan Video existieren auch sogenannte Synchros. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem die zahlreichen Harry-Potter-Parodien der YouTuberin „Coldmirror“ bekannt. Sie hat in den frühen 2000ern mehrere Filme neu vertont (Warnung: ja, mit anstößigem Humor wurde nicht gespart, aber sie ist einfach fame in der Community). Doch selbst wenn jemand seine Lieblingsfilme mit vulgären Witzen verunstaltet, ist es doch irgendwie ein Liebesbeweis… oder?

Auch in Österreich gibt es die berühmten “Dialekt-Parodien”. Allen voran: “Vertonet” – auch hier ist der Humor ziemlich “tiaf”. Egal, ob Alf, Mac Gyver oder Tom Turbo – man kann fast alle Synchros nur so beschreiben: Nix für Kinder, aber für nüchterne Erwachsene a zu deppat.

Nur Zeit fürs Beste vom Besten? Das Internet hat sämtliche Highlights zu jedem Thema zusammenzutragen. In Video Compilations feiern auch Retro-Stars wie David Bowie eine wahre Renaissance. Gut so, denn schließlich muss auch die Litness gewürdigt werden, für die Gen X noch nicht bereit war. Ob man sich daran ergötzt, wie Grimes über Gemüse lästert oder die besten Momente aus Sherlock Holmes Revue passieren lässt, es macht einen fast süchtig. Die Dopamin-Dichte ist nicht zu übertrumpfen.

Für Teenie-Cringe direkt in den Knast? 

Richtig legal ist das Teilen von Fan Content nicht. Charaktere, Videos und Musik zu nutzen, für die man keine Rechte besitzt, ist problematisch. Das Internet ist nicht mehr der Wilde Westen, der es einmal war. Zu großen Teilen haben Plattformen wie YouTube eigene Regelungen gefunden, um mit der Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material umzugehen. Dennoch ist Vorsicht geboten, wenn man sich am intellektuellen Eigentum anderer bedient.

 

“Mach lieber was Gscheites für deine Zukunft!”

Unabhängig von der Legalität der Veröffentlichung kann das Erstellen von Fan Content Skills fördern, welche immer gefragter werden. So manch erfolgreiche*r Cutter*in hat mit AMVs angefangen. Zukünftige Autor*innen können mit Fanfiction das Schreiben üben. Cosplayer*innen von heute sind vielleicht die Maskenbildner*innen im Theater von morgen.

 

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Außerdem befassen sich viele Fandoms mit englischsprachigen Inhalten, wodurch man seine Sprachkenntnisse trainieren kann. Und es gibt noch zahlreiche weitere, nützliche Skills, auf die wir hier aus Platz- und Zeitmangel nicht weiter eingehen können. Schließlich wartet da so eine gewisse Fandom schon auf die Fortsetzung einer von uns verfassten Fanfiction, die wir ihnen schon viel zu lange versprochen haben…

Wer sich also in den Tiefen des Kaninchenbaus wohlfühlt und Freude an Kreativität hat, findet dank des Internets eine riesen Auswahl an Communities. Im Austausch mit anderen Fans lassen sich Fähigkeiten verbessern und vielleicht sogar die ein oder andere Online-Freundschaft schließen. Gerade in Zeiten, in denen Sportvereine und andere Hobbys wegfallen, kann das bei richtigem Umgang ein tolles Outlet sein.

Über Sarah

Sarah’s Leidenschaft sind Wortspiele, Memes und surfen. Am liebsten widmet sie sich beim Schreiben den kleinen Dingen, die man leicht drehen und wenden kann, bis es interessant wird. Schreibblockaden löst Sarah durch gezieltes Unsinn machen und Bewegung, meistens an der frischen Luft mit ihrem ebenso quirligen Hund.