Ich bin ein Mann, Feminist und meine, das Patriarchat hat keine Zukunft

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Feministin oder auch – wie in meinem Fall – Feminist zu sein, das heißt, sich gegen Sexismus, gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einzusetzen. Negativ ausgedrückt. Positiv gewendet, geht es um eine Welt ohne Geschlechterhierarchien und sozialen Wandel. Für mich ist Feminismus selbstverständlich geworden. Als politische Haltung und auch als Art und Weise, zu leben. Die Diskussion darüber, ob Männer Feministen sein können, führe ich übrigens nicht mehr. Sie ignoriert, dass wir alle ziemlich zufällig in irgendwelche Körper und Verhältnisse hineingeboren werden. Nicht was oder wer wir sind, sondern was und wer wir sein könnten, sollte unser Maßstab für Veränderung sein.

Männer im Patriarchat 

Zugegeben, feministisch zu leben, macht oft wütend, fassungslos, grimmig. Vor allem in diesen Zeiten, in denen autoritäre Ideologien weltweit durch „starke Männer“ verkörpert und erfolgreich verbreitet werden. Sie mobilisieren Männer, die sich als Opfer von Feminismus und Menschenrechten sehen. Das hat mich nicht zuletzt dazu gebracht, mich für das österreichische Frauen*Volksbegehren zu engagieren. Es braucht konstruktive Gegenangebote zu solchen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen – auch und gerade in Richtung von Männern.

© Mercan Sümbültepe

Die Forscherin Raewyn Connell hat zwar recht, wenn sie sagt, dass alle Männer von der sogenannten patriarchalen Dividende profitieren. Damit gemeint sind die (ideellen) Vorteile, die alle Männer haben, einfach weil sie Männer sind. Dazu zählen: mehr Einkommen, Anerkennung, Einfluss und Macht. Daraus resultiert eine Anspruchshaltung (in Bezug auf Ressourcen aller Art, inklusive Frauen) und eine Grundloyalität gegenüber traditionellen Geschlechterverhältnissen. Diese patriarchalen Benefits scheinen für immer mehr Männer aber (real) eher gering auszufallen oder gänzlich auszubleiben. 

Männer sind nämlich die durchschnittlich größten Bildungsverlierer und die größte Gesundheitsrisikogruppe. Sie sterben früher, begehen häufiger Suizid, haben häufiger Suchtprobleme, verschulden sich häufiger und höher und so weiter. 

Einige wenige Männer haben jedoch auch die Kontrolle über so gut wie das gesamte Kapitel, haben über 90 Prozent der Spitzenpositionen in Konzernen inne. Männliche Körper und Biographien gelten als Norm, ihnen wird in der Öffentlichkeit mehr Redezeit gegeben, vor Gericht mehr Glauben geschenkt, sie werden seltener gedemütigt, sexuell belästigt, verprügelt und vergewaltigt. Ich meine, diese Rechnung geht für die allermeisten Männer nicht auf, für mich jedenfalls nicht; warum also an männlichen Vorrechten, die mehr Fluch als Segen sind, festhalten?

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Gleiche Rechte im Patriarchat?

Die österreichische Bundesverfassung verbürgt nicht nur Gleichheit vor dem Gesetz. Sie schreibt auch vor, dass sich Bund, Länder und Gemeinden zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau bekennen und entsprechende Maßnahmen setzen. Soweit so formal. Voraussetzung für gleiche Rechte wäre aber, dass Frauen und Männer gleich viel wert wären und reale Möglichkeiten hätten, ihre Rechte auch wahrnehmen und durchsetzen zu können. Davon sind wir aber meilenweit entfernt.

Es ist bekannt, dass in unserer Gesellschaft Ungleichheit aufgrund des Geschlechts, „race“ und Klasse weit verbreitet ist, ja sogar das Wesen der sozialen Struktur unseres Zusammenlebens ausmacht. Das führt dazu, dass Gender definiert, wessen Rechte, Körper sowie Arbeits- und Lebenszeit wie viel oder wenig wert sind. 

© Mercan Sümbültepe

So durchdringt männliche Gewalt unsere Gesellschaft; nach der Gewaltprävalenz-Studie aus 2011 erfährt fast ein Drittel der Frauen sexuelle Gewalt im Erwachsenenalter, etwa 80 Prozent der Männer und Frauen psychische Gewalt und 60 Prozent erfahren körperliche Gewalt und drei Viertel erinnern sich an Gewalt und auch an sexuellen Missbrauch in der Kindheit – und immer überwiegend durch männliche Partner, Ex-Partner oder Familienangehörige. 

Frauen sind überarbeitet und unterbezahlt. Wo sie arbeiten, wird weniger verdient, ihre Arbeit zählt weniger. Ihre Körper werden wie Dinge gehandelt. Etwa in der Werbung, denn im Patriarchat gilt: „was immer du verkaufen willst / genier dich nicht / garniers mit frauenfleisch“ (so die Schriftstellerin Elfriede Gerstl). Das wird gerne verdrängt. Mit all dem müssen wir uns aber konfrontieren, wenn wir es ändern wollen.

Geschlechterzukunft 

Was dabei hilft, ist ganz sicher Feminismus. In der Abwehr von vielen Männern gegen Feminismus oder dagegen, sich als feministisch zu positionieren, steckt aber leider die Angst vor Identitäts- und Machtverlust. Es stehen nicht nur männlicher Stolz auf dem Spiel, sondern auch männliche Netzwerke. Vor allem aber geht es um Vergewisserung der eigenen Männlichkeit, ein Impuls, den alle Männer kennen.

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Wer feministisch ist, kann schließlich nicht auch ein „echter Mann“ sein. Eine wenig überraschende, abwertende Ansage, die mir vor allem online und anonym auch immer wieder gemacht wurde. Er wird wohl weich, schwach, schwul und damit weiblich sein. Diese Wahrnehmungsweise ist gesellschaftlich fatal und frauenfeindlich. Sie ist Ausdruck männlicher Dominanz und schadet Kindern, Frauen und auch Männern, die keinem Prototyp entsprechen – emotional, körperlich, persönlich, beruflich – eben auf ganzer Linie.

Ich meine, es wäre an der Zeit, diese beschränkenden Verhältnisse zu überwinden. Gemeinsam. Und Wie? Mit Selbstreflexion, Solidarität und feministischem Engagement im Alltag und auch für politische Maßnahmen, etwa für die Forderungen des Frauen*Volksbegehren

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Wofür? Für ein freieres Lebens. Denn in der Wissenschaft gilt es als mittlerweile gut erforscht, dass Geschlecht nicht binär-hierarchisch, also nicht entweder untergeordnetes Weiblich-Sein oder übergeordnetes Männlich-Sein, sondern ein Spektrum von Entwicklungsmöglichkeiten ist. Das wiederum klingt nicht nur ziemlich gut und feministisch, sondern nach Zukunft. Einer Geschlechterzukunft von Gleichheit in Vielfalt, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Über Christian

Christian Berger ist Feminist und war sogar einer der Sprecher*innen des Frauen*Volksbegehrens. Er hat einen Hintergrund in Anthropologie, Sozioökonmie und Recht, beteiligt sich regelmäßig an öffentlichen Debatten über Gleichstellung und beschäftigt sich als Referent in der Arbeiterkammer Wien außerdem mit der Frage, wie sich Digitalisierung und Strukturwandel sozial, inklusiv und nachhaltig gestalten lassen.