Sprachgewitter: Die Liebe zur Nostalgie – Wie man eine Balance mit ihr findet

  • 3 Minuten

Jeden Morgen, noch bevor ich meine Nachrichten oder andere Social Media Feeds checke, sehe ich mir die sogenannten Erinnerungen an, die mir mein Smartphone täglich anzeigt. Unter der Kategorie “An diesem Tag vor…” sammeln sich in meiner Mediathek Querschnitte der Jahre, die dasselbe Datum teilen. Auch Programmierer*innen Sozialer Medien haben verstanden, dass die Sehnsucht nach Nostalgie und einem kurzen Rückblick etwas bei Nutzer*innen auslöst. Es klickt. Wieso blicken wir so gerne zurück?

In meinem Fall ist es eine Mischung aus Neugierde, wo ich gerade vor einem, zwei der fünf Jahren stand. Ein ermächtigendes und manchmal zufriedenes Gefühl macht sich breit, wenn ich sehe, wie viel sich seitdem geändert hat. Besonders stark ist das dann ausgeprägt, wenn der Rückblick auf eine schwere Zeit fällt. Dann fühle ich mich in meinem Grundsatz bestätigt, dass kein Gefühl für immer anhält und sich auch herausfordernde Etappen im Leben von Leichtigkeit ablösen lassen. 

Abgesehen von den digitalen Spuren und den arrangierten Schablonen meiner digitalen Fußabdrücke, würde ich mich grundsätzlich als eine Person bezeichnen, die Nostalgie liebt und zelebriert. Statt zu sehr in Vergangenem zu verharren, betrachte ich meine Rückblicke viel eher als eine Art Wertschätzung und Sanftheit für all die Dinge, die ich bisher erleben konnte. 

Walking on Memory Lane

Mögen es Menschen sein, die mich eine Zeit lang oder noch immer begleiten, Erlebnisse, die damit wieder in den Vordergrund rücken oder besondere Meilensteine, die ich mir noch einmal hervorhole, um mir auf die Schulter zu klopfen. Die bewusste Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit und bisherigen Erlebnissen kann uns dabei helfen, ein breiteres Verständnis für uns zu entwickeln. Selbstreflexion, das ist nicht nur ein “einchecken” mit der Gegenwart, das ist auch ein Dialog mit den unterschiedlichen Anteilen unserer Persönlichkeit, die sich über die Jahre herausgebildet haben. 

 

© BAM! | Laura

In Erinnerungen schwelgen kann auch mit anderen ein verbindendes Glied sein. Beispielsweise, wenn man bemerkt, dass man eine ähnliche Jugendkultur gelebt hat, oder auf denselben Events war, bevor man sich kannte. Wenn wir mit neuen Menschen über unsere Vergangenheit sprechen, machen wir uns einander begreiflich und entdecken womöglich Parallelen, die eine Bindung stärken können und dazu führen, Freundschaften oder andere Beziehungen entstehen zu lassen. 

Wo wir herkommen, lässt uns nie los

Sind die Wege grundsätzlich verschieden oder gar gegensätzlich, ist das in jedem Fall ein witziges Gesprächsthema. Zuletzt habe ich mit einer guten Freundin über unsere Jugend gesprochen. Wenn man so will, standen wir in der Einteilung subkultureller Zugehörigkeit auf der jeweils gegenüberliegenden Seite. Während ich die Emo-Welle an Musik und Kleidungsstil gefeiert habe, fand sie sich in Techno Beats und den sogenannten “Krocha-” oder „Gabba-“ Kreisen wieder. Wir wären einander verfeindet gewesen, nur aus Prinzip. 

 

© BAM! | Laura

Heute lachen wir darüber, wie es so unverhofft kam, dass wir fünfzehn Jahre später so enge Freundinnen wurden. Es bleibt nicht zu leugnen, dass etwas in uns davon bleibt. Ausgerechnet Erinnerungen und Erfahrungen aus den prägendsten Jahren, wie es die Pubertät oder das frühe Erwachsenenalter sind, werden nachhaltig einen Einfluss darauf nehmen, was uns gefällt und wo wir uns wohl fühlen.

Wie sich Sehnsucht digitalisiert

Was uns eint, ist das tiefe Bedürfnis verstanden zu werden, von anderen, aber vor allem auch von uns selbst. In Zeiten unendlicher Dokumentationsmöglichkeiten, ist die Rückschau im Gegensatz zu älteren Generationen ein Leichtes. Wir holen kein verstaubtes Fotoalbum aus dem Regal, um uns an das erste Silvester in den eigenen vier Wänden zu erinnern, wir Tippen eine Jahreszahl in die Suchfunktion unserer Mediathek und tauchen ein, in den Blick einer – in meinem Fall – Achtzehnjährigen und der damals empfundenen Gefühlswelt.

© BAM! | Laura

Ein Rückblick ist außerdem oft eine gute Möglichkeit zu überprüfen, ob die Ziele und Werte, die man einmal verfolgt hat, immer noch Relevanz haben und falls nicht – ob sie zurecht ausgesiebt wurden. Wenn ich an manchen Tagen Zukunftsängste habe oder verloren über meine Ziele nachdenke, ermögliche ich durch meine Erinnerung an ein früheres Ich auch eine neue Perspektive und öffne den Horizont, um gefestigter in die Zukunft zu blicken.

“Wenn man immer nur zurückschaut, ist irgendwann nichts mehr da.“ Das ist eine Songzeile aus einem meines Lieblingslieder. Der Song verdeutlicht nochmal, dass Nostalgie und Rückschau, wie alle Gefühle, die wir erleben, gut portioniert bleiben dürfen. 

Wer also stets an Altem festhält, wird Schwierigkeiten haben, sich auf die Gegenwart einzulassen und auf die Zukunft zu fokussieren. Im besten Fall ergibt sich eine ausgeglichene Balance aus der Liebe zu Gestern, einer Verantwortung für das Heute und dem Mut für Morgen.

Hoodie, Schweißband oder Tote Bag holen. Zu deinem neuen MegaCard GoGreen-Jugendkonto.

  • Die Bank Merch Produkte, wie gesehen bei den Bank Austria TikTok-Sternchen Frau Reiter und Herrn Holzer, gibt’s jetzt zu jeder MegaCard- oder GoGreen Studenten-Kontoeröffnung.

  • Limited Edition jetzt sichern!

  • Aktion bis 31.1. gültig.

Werbung

Über Jaqueline

Als Sozialarbeiterin und Feministin eher an Problemlösungen interessiert, wirft sie in ihren Texten und Kolumnen meist Fragen zu Identitätsfindung, Körperbewusstsein, und einer Bandbreite an tiefen Emotionen auf. Neben Sprachgewitter teilt sie die alltägliche Ästhetik ihrer Wahrnehmung auf ihrem Instagramaccount minusgold.