Was machst du, wenn digitaler Hass in der Realität auftaucht?

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Mir war bewusst, dass man als Aktivistin und migrantische Frau, die ihre Meinung öffentlich (und vor allem selbstbewusst) vertritt, als Zielscheibe für Hass und Gewaltfantasien wird. Vor allem in der digitalen Welt. Dass dieser Hass nicht im Internet bleibt und für mich sogar eine reale Gefahr wird, hätte ich mir trotzdem nie gedacht. 

Woher kommt der Hass?

Politik ist immer emotional. Auch wenn ich bereits im ersten Semester meines Politikwissenschafts-Studiums lernen musste, dass Politik von rationalen Menschen geführt wird (oder muss), wurde ich immer mit dem Gegenteil konfrontiert. Rechte Politiker*innen und Parteien holen sich Stimmen, indem sie Angst und Furcht in Menschen auslösen: Wir müssen uns vor den bösen Migrant*innen schützen, die unsere Frauen und Kinder gefährden. Wir müssen uns vor dem Gender-Wahnsinn der Linken wahren, der Kindern „sündhafte homosexuelle Werte“ beibringen möchte. 

Rechtspopulismus wird von Emotionen begleitet. Doch auch die andere Seite ist stets mit Emotionen begleitet: Wir gehen auf die Straße und demonstrieren, weil wir wütend und enttäuscht sind. Diskriminierende und rassistische Äußerungen ärgern uns. Der Punkt ist jedenfalls: Menschen, die Politik machen sind emotionale Wesen, genauso wie Menschen, die an Politik interessiert sind. Und wer vielleicht eine andere Meinung vertritt, der wird dann angegriffen.

© BAM! | Marietta Dang

Die politische Zielscheibe von Rechten

Das Resultat hierfür ist, dass ich diese starken negativen Emotionen wie den Hass und die Wut von politischen Gegner*innen auffangen muss. Beziehungsweise bleibt mir oft nichts anderes übrig. Sie nehmen mich als Symbolbild des Feminismus und des Antifaschismus wahr und lassen so ihrem Hass freien Lauf. Ich soll in mein Heimatland abgeschoben werden oder gar vergewaltigt werden, damit ich endlich meinen Mund halte. Viele wünschen mir den Tod. Andere beleidigen mein Aussehen, werden sexistisch oder rassistisch.

Meine Reaktionen auf diese Nachrichten und Kommentare waren meistens immer ein Klick auf den „Melden“- und „Blockieren“-Button. Als ich im November letzten Jahres eine Rede auf einer Demonstration gehalten hatte, reichte das jedoch nicht aus.

Es bleibt nicht immer im Internet

Während meiner Rede wanderten meine Augen durch die Menschenmenge und ich erkannte einen Mann, der mir auf Social Media bereits mehrfach einen grausamen Tod gewünscht hatte. Wenn Blicke töten könnten, hätte er es wahrscheinlich genau dort gemacht. Ich hatte jedoch großes Glück und war an dem Tag von 15 bis 20 Aktivist*innen umgeben, die den Schutz der Teilnehmenden als Aufgabe hatten. Während dieser Mann (und seine weiteren vier Freunde) mich verbal beleidigten und anschrien, wurde ich von den Aktivist*innen in Sicherheit gebracht und konnte heil und gesund nach Hause finden. 

Zu dem Zeitpunkt habe ich vielleicht das erste Mal realisiert, dass ich und vermutlich viele andere Hass im Netz viel zu oft nicht ernst nehmen. Dass es als „Ach, der/die traut sich nur, weil es das Internet ist“ abgetan wird. Dabei gibt es so viele Fälle, wo Aktivist*innen, insbesondere Frauen aus unterschiedlichsten Lebensbereichen, reale Gewalt erfahren – sei es von Stalkern oder einfach nur von hasserfüllten Menschen.

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Die Wichtigkeit von Zusammenhalt

Damals im November konnte ich nur in Sicherheit gebracht werden, weil ich eine Community hatte, die gegenseitig auf sich geschaut hat. Dass man generell niemals alleine auf Demonstrationen gehen sollte und mindestens eine Person bei sich haben sollte, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr – vor allem unter Linken. Es unterstreicht jedoch noch mal die Bedeutung von solidarischem Zusammenhalt und die Wichtigkeit von Gruppenzusammensetzungen unter Gleichgesinnten. Egal ob in Real Life oder virtuell. Doch was kann man abgesehen von Gruppenzusammenhalt noch tun?

„Hass im Netz“ und Beratungsmöglichkeiten

Ein seit 2021 neues Gesetzespaket unter dem Titel „Hass im Netz“ ermöglicht es Opfern und Betroffenen von digitalem Hass nun auf einfachsten und sichersten Weg an ihr Recht zu kommen. In Österreich existiert mittlerweile im Zusammenhang mit diesem Gesetzespaket ein integriertes Meldesystem auf Social-Media-Kanälen, in dem man in wenigen Schritten die notwendigen Konsequenzen für beleidigende und hasserfüllte Nachrichten und Kommentare ziehen kann.

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Zusätzlich bieten Beratungsstellen wie ZARA Zivilcourage Betroffenen von digitaler Gewalt ihre Unterstützung an. Beratungen verlaufen anonym und kostenlos und können über Chat, Telefon oder verschlüsseltem E-Mail Austausch auf der Website erfolgen.

Gen Z Strategy

Eine andere Strategie – die ich übrigens als „The Gen Z Way“ bezeichne – ist, die zuständigen Arbeitgeber*innen oder Schulen von Mobbern, Rassist*innen, Sexist*innen und queerfeindlichen Menschen zu kontaktieren. Es beschreibt die kollektive Zusammenarbeit von Menschen im Internet, um gegen diskriminierendes Verhalten vorzugehen.

© BAM! | Marietta Dang

Obwohl Cancel Culture seine Vor- und Nachteile hat, hat es zumindest marginalisierten Gruppen ermöglicht, gegen rassistische, sexistische oder homophobe Inhalte erfolgreich hervorzugehen. Es ist ein Werkzeug, um für Betroffene und für die eigene Community da zu sein. Um dafür zu sorgen, dass Rassist*innen und Sexist*innen nicht mehr so leicht mit ihrer verachtenden Ideologie davonkommen. Schulen, Universitäten und Unternehmen fühlen sich oft dementsprechend zurecht unter Druck gesetzt und beschließen notwendige Konsequenzen für die Verfasser*innen der Inhalte.

Zusammenschluss, Solidarität und der Wille zum eigenen Recht zu kommen (egal über den rechtlichen Weg oder durch den „Gen Z Way“) müssen weiterhin gelten. Lasst euch eure Stimme nicht wegnehmen!

Über Berfin

Berfin Marx studiert Politikwissenschaften. Auf ihrem IG-Account @berfin.marx schafft sie einen Safe Space, bei dem sie über Rassismus, intersektionalen Feminismus und Klassenbewusstsein aufklärt und andere Menschen dazu inspiriert, sich zu engagieren oder einfach nur ihren Wissenshorizont zu erweitern.