Finding my Identity: ​​Wie es ist als Person mit Migrations-Hintergrund in Österreich aufzuwachsen

Habt ihr schon einmal eine langjährige Freundin gefragt, wie ihr erster Eindruck von euch war? 

Als meine Freundin Aya und ich uns zum ersten Mal getroffen haben, befanden wir uns in einer größeren Gruppe. Wir fanden uns schnell interessant und kamen ins Gespräch. Da wir die Einzigen mit POC-Aussehen in unserem Umfeld waren, kam das Thema bald zur Sprache und uns wurde klar, dass wir viele gemeinsame Erfahrungen teilen – und wie schnell man sich ein Bild von einer Person macht, bei dem sich nach näherem Kennenlernen herausstellt, wie zweidimensional es eigentlich ist.

Bei unserem letzten Gespräch haben wir uns darüber unterhalten, welche ersten Eindrücke wir oft hinterlassen, was unser “ausländisches” Aussehen dazu beiträgt und welchen Impact das auf unser Selbstbild hat.

Mir haben schon öfter Leute gesagt, dass sie mich am Anfang als oberflächlich eingeschätzt haben, weil ich viel Make-up trage. Kannst du da auch etwas erzählen?

Aya: Im ersten Moment wirke ich auf Menschen oft arrogant und ernst. Ich bin immer sehr gespannt, wenn das Gespräch mit „Am Anfang dachte ich, du wärst…“ eingeleitet wird. Ich finde es amüsant, wie häufig dieser erste Eindruck über unsere Mitmenschen kaum aussagekräftig ist und manchmal sogar das komplette Gegenteil darstellt.

© BAM! | Marietta Dang

Bekommst du oft Kommentare zu deinem Aussehen? 

 Aya: Hauptsächlich bekomme ich Kommentare über meine Haare. Menschen glauben, dass sie nicht echt sind, weil sie eine so stark gelockte Struktur haben. Das sind aber in letzter Zeit eher positive Kommentare.

Was waren negative Erlebnisse?

Aya: Was ich nicht mag, sind unterschwellig hinterhältige Kommentare wie „Deine Haare schauen aus wie ein Busch, aber ich find’s cool.“ Das negativste Erlebnis war, dass mir einmal eine Frau in der U-Bahn gesagt hat, ich soll zurück in mein Heimatland gehen. Das hat mich sehr geärgert weil ich mein ganzes Leben in Österreich verbracht habe und hier aufgewachsen bin.

Wird dein Selbstbild dadurch beeinflusst?

 Aya: Mittlerweile beeinflusst es mein Selbstbild nicht mehr, weil ich jetzt selbstbewusster bin und weiß, dass mein Wert nichts mit der Meinung anderer zu tun hat. 

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Aber wie hast du das geschafft?

Aya: Ich glaube, es kommt mit dem Alter. Was auch ein guter Tipp ist, meiner Meinung nach: “Behandle dich selbst so wie eine gute Freundin.” Viel zu oft wirft man sich selbst Dinge vor, bei denen Freunde oder Freundinnen sofort supporten würde.

Word! Hat sich dadurch auch das Verhältnis zu deinem Körper geändert? 

 Aya: Ja, schon. Ich habe versucht, so auszusehen wie alle anderen, um nicht aufzufallen oder als komisch wahrgenommen zu werden. Ich hab mich gezwungen abzunehmen, meine Haare chemisch zu glätten und mich stärker zu schminken, um dazuzugehören. Sich zu verändern hat zwar irgendwie funktioniert, aber ich habe gemerkt, dass mich das nicht glücklich macht. Jetzt mag ich mich so, wie ich bin und embrace meine features.

Gibt es eine Stelle an deinem Körper, die dir besonders gefällt? 

 Aya: Die Sache, die ich früher am meisten gehasst habe: meine Haare. Diesen Switch find ich super interessant. Es ist genau wie bei vollen Lippen. Die wurden früher als komisch angesehen und heute spritzt man sich die Lippen auf. Das zeigt auch, dass Körperideale nur eine Modeerscheinung sind.

 

Aktuell wird ja auch oft versucht, durch Diversity und Repräsentation verschiedene Körperideale zu zeigen. Was hältst du davon?

 Aya: Ich finde Diversity und Repräsentation ein heikles Thema, weil es mittlerweile sehr als Marketing-Instrument verwendet wird. Diversity bedeutet für mich, dass jede Person unabhängig von Herkunft, Religion und Sexualität dieselben Chancen bekommt. 

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Fühlst du dich aktuell mehr repräsentiert?

 Aya: Zu einem gewissen Grad schon. Jetzt ist es mir zwar nicht mehr so wichtig, zum Beispiel Curvy- oder Plus-Size Models zu sehen, aber als ich noch jünger war, hätte mich das definitiv beeinflusst.

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Was sagst du zu BLM Bewegung in Österreich, fühlst du dich dadurch abgeholt(er)?

Aya: Ich finde es richtig gut, dass es diese Bewegung gibt, auch wenn es eigentlich schon längst überfällig ist und tragisch, dass wir das überhaupt brauchen. Seitdem gibt es in Österreich ja auch mehr Bewegungen. Das zeigt auch, wie viel Macht Social Media hat, weil das ja alles über Social Media gestartet wurde. Es war, finde ich, fast wie eine Revolution für Menschenrechte auf der ganzen Welt.

Obwohl wir von einer idealen Gesellschaft noch weit entfernt sind, ist es immer wieder motivierend, Gespräche zu führen, in denen klar wird, was sich alles verändert hat. Die persönliche Geschichte einer Person zu hören, kann allein schon einen Unterschied im Denken machen, weil geteilte Erfahrungen helfen, über Schwierigkeiten hinauszuwachsen und den Mut zur eigenen Stimme zu finden.

Über Marietta

Die gebürtige Wienerin hat der Vorstadtidylle Lebwohl gesagt, um im bunten Hernals zu leben. Nun kann sie ihrer Leidenschaft als Visual Storyteller nachgehen und genießt neben ihrer Anbindung an die Kunst- & Theater-Szene auch den Schokoladenduft der nahegelegenen Mannerfabrik. In ihrer Freizeit findet man die Halbvietnamesin hinter Philosophiebüchern und einem Teller Sommerrollen, oder auf @mariettadang.