Finding my identity: Selbstwahrnehmung vs. Außenwahrnehmung

  • Lesedauer: 3 Minuten

Als Person mit nicht österreichischem Aussehen werde ich oft unfreiwillig mit Identitätsfragen konfrontiert. Icebreakers wie „Woher kommst du wirklich?“ oder „Warum kannst du eigentlich so gut Deutsch?“ lassen mich zweifeln, ob ich in dem Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, als Österreicherin wahrgenommen werde.

Und obwohl solche Aussagen meiner Erfahrung nach meist nicht böse gemeint sind, machen sie etwas mit mir. Ich betrachte mich dann auf einmal von außen. Es entsteht eine Diskrepanz zwischen meiner Außenwahrnehmung und meinem Selbstbild. 

Geteiltes Leid 

Durch Bewegungen wie #blacklivesmatter und #stopasianhate aber auch durch die Repräsentation von BIPoC-Menschen in Filmen und Werbungen merke ich, dass über die geteilten Erlebnisse nun viel mehr gesprochen wird. Meine Schwester Clarissa und ich haben uns darüber unterhalten, was uns als Österreicherinnen mit „ausländischem” Aussehen von anderen unterscheidet und dass das, was andere über uns annehmen, oft gar nicht mit dem zusammenpasst, wie wir uns selbst fühlen. 

© BAM! | Marietta Dang

Marietta: „Woher kommst du eigentlich?” ist einer von vielen Kommentaren, die ich persönlich schon oft über mein Aussehen bekommen habe. Was für Kommentare hast du schon zu deinem Aussehen bekommen? 

Clarissa: Bei mir war’s oft das Augen zusammenkneifen und dann weiß ich immer schon, welche Frage darauf folgt. 

Marietta: Welche Annahmen treffen Menschen aufgrund dessen?

Clarissa: Es heißt dann eben „Woher kommst du (eigentlich)?“ oder „Woher kommt dieser asiatische Einschlag?“. Manchmal kommen diese Fragen von Menschen, die selbst aus Teilen Asiens emigriert sind, bei denen ich das Gefühl habe, sie wollten gerne mit jemandem sprechen, der sie vielleicht ein bisschen an ihre Heimat erinnert, auch wenn ich dabei kaum behilflich sein kann. 

© BAM! | Marietta Dang

 Marietta: Aber machen diese Fragen was mit dir? Also beeinflusst das dein Selbstbild?

Clarissa: Ja klar, vor allem, weil ich so das Gefühl vermittelt bekomme, als würde ich eben ein externer Teil in diesem Land sein, in dem ich ja wie du geboren wurde. Ich identifiziere mich als Österreicherin, bin nicht zweisprachig aufgewachsen und habe kaum Bezug zur vietnamesischen Kultur.

Clarissa: Aber durch diese Fragen werde ich auf genau diesen Teil reduziert, der einerseits mit sehr persönlichen Familienverhältnissen und andererseits mit tiefliegenden Identitätsfragen zusammenhängt. Ich will selbst entscheiden, wann und wie intensiv ich mich mit diesem Thema auseinandersetze, aber viele denken nicht daran, was ihre Fragen auslösen. 

Marietta: Beschreib mal genau das Gefühl.  

© BAM! | Marietta Dang

Clarissa: Da kann ich sogar weiter ausholen und eine Geschichte erzählen. Ich war mit Freundinnen im Gartenbaukino in Wien. Als ich mir etwas zu trinken holen wollte, sprach mich ein Mann eindringlich an, woher ich kommen würde, ohne „Hallo“ oder sonst etwas davor zu setzen. Seinen Blick habe ich noch genau im Kopf. Das war der erste Moment, in dem ich mich wie ein Anschauungsobjekt fühlte. Das passiert mir zum Glück nicht oft, aber es hat mein Selbstbild auf jeden Fall verändert. 

Marietta: Wir leben ja gerade in einer Art Umbruch, vor allem mit den ganzen Bewegungen und auch in Film, Fernsehen und Werbung wird das mit Diversity und Repräsentation mehr thematisiert. Was bedeutet das für dich? 

Clarissa: Also an sich bedeutet Diversity für mich, dass Menschen jeglicher Community nicht nur in den Medien an sich, sondern auch in verschiedenen Rollen, zum Beispiel in der Arbeitswelt, der Politik und so weiter aufscheinen.

Marietta: Ich empfinde das immer als empowering, wenn ich merke, dass darauf mehr Wert gelegt wird. Sehr präsent ist es für mich auch zum Beispiel in der Mode. Wie hast du dich früher gestylt und gibt es einen Unterschied zu jetzt? 

Clarissa: Mir haben eigentlich immer viele Styles gefallen, aber ich habe mich nie wirklich getraut, mich im Alltag auffällig zu kleiden. Das war mir früher eher unangenehm und ich wollte lieber in der Masse verschwinden. Das hat sich aber, wie bei dir, heute sehr geändert. Auch viel durch den Wunsch, ein ästhetisches Ideal zu entwickeln, das an mich angepasst ist und sich nicht nach konventionellen Standard-Maßstäben richtet. Das Thema Frau-sein spielt hier eine besonders große Rolle für mich. 

Marietta: Kannst du das noch genauer erklären? 

Clarissa: Zum Beispiel als Frau keinen BH zu tragen und sich nicht mehr die Beine zu rasieren. Dadurch ist mir erst aufgefallen, wie sehr mein Wohlbefinden an gesellschaftliche Normen und Konventionen gekoppelt ist, die ein ganz bestimmtes Frauenbild reproduzieren. Wie Rosa Luxemburg schon sagte: „Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht!“.

© BAM! | Marietta Dang

Marietta: True that. Wie hat sich das Verhältnis zu deinem Körper in den letzten Jahren verändert? 

Clarissa: Ich habe wohl irgendwann angefangen, mich als Neuschöpfung zu sehen, als eigene Spezies mit ihren eigenen Maßstäben. Ich denke, ich habe auch gelernt, meine Features bewusster wahrzunehmen und auch wie ich sie betonen kann, besonders bei Make-up. 

Marietta: Und was gefällt dir besonders an deinem Körper? 

Clarissa: An meinem Körper mag ich besonders meine Nase. Mit ihrer Größe und der Form passt sie irgendwie genau zu meinem Charakter. Auch wenn sich das etwas komisch anhört. Aber ich versuche mich gerade generell an Selbstliebe zu üben und meinen Körper in seiner natürlichen Form zu akzeptieren. Dabei hat mir sehr geholfen zu erkennen, dass das, was andere von einem annehmen, oft einfach Projektionen von ihrem eigenen Mindset sind.

© BAM! | Marietta Dang

Marietta: Das denke ich auch. Und es ist wichtig, dieses Bild, was andere von einem haben, getrennt von der eigenen Wahrnehmung zu betrachten. Du musst dich nicht immer für ein entweder/oder entscheiden. Du bist niemandem Rechenschaft schuldig und kannst vieles in dir vereinen.

Über Marietta

Die gebürtige Wienerin hat der Vorstadtidylle Lebwohl gesagt, um im bunten Hernals zu leben. Nun kann sie ihrer Leidenschaft als Visual Storyteller nachgehen und genießt neben ihrer Anbindung an die Kunst- & Theater-Szene auch den Schokoladenduft der nahegelegenen Mannerfabrik. In ihrer Freizeit findet man die Halbvietnamesin hinter Philosophiebüchern und einem Teller Sommerrollen, oder auf @mariettadang.