Wie Frauen darum kämpfen, im Musikbusiness beachtet zu werden

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Männer dominieren Festival-Line-Ups, die Grammy-Nominierungen und die Charts. Namen wie Billie Eilish, Lady Gaga, Ariana Grande, Taylor Swift, Miley Cyrus und Dua Lipa erwecken den Anschein, dass die Musikbranche mit starken weiblichen Popgrößen gefüllt ist, doch ein Blick hinter die Kulissen der Pop-Branche zeigt klar – der Schein trügt. Auf jede dieser genannten Künstlerinnen kommen 3,5 Männer. Doch warum ist das so? Und vor allem: Was können wir dagegen tun?

Nur 9,3% aller Nominierten der Grammy Awards von 2013 bis 2018 waren Frauen. 90,7% waren Männer. Laut der britischen Musikverwertungsgesellschaft PRS for Music waren 2018 nur 13% der dort registrierten Komponist*innen und Songwriter*innen Frauen. Nur rund 11% der erfolgreichsten deutschen Radio-Songs zwischen 2001 und 2015 wurden von Frauen geschrieben. Selbst dem Streamingdienst-Marktführer Spotify wurde vorgeworfen, sein Algorithmus bevorzuge Männer. 

© Valentina Vale

Diese Fakten werfen vor allem eine Frage auf: Warum gibt es nur so wenige Frauen im Musikbusiness?

Genau darüber mache ich mir seit meinen persönlichen musikalischen Anfängen in Salzburg Gedanken. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals ein Konzert gespielt habe, bei dem die Anzahl an Frauen mit der der Männer gleich oder sogar größer war. Und das Traurige daran ist – es wundert mich nicht einmal! 

Seitdem ich Musik mache, habe ich die geringe Anzahl an Frauen im Business einfach hingenommen. Es war normal. Als ich meine Band gegründet habe, stand ich mit drei Männern auf der Bühne. Immer wieder kamen neue Gitarristen oder Schlagzeuger. Immer nur Männer. Es schien, als hätte ich auch keine andere Wahl. Schlagzeugerinnen oder Gitarristinnen kannte ich sonst nur über Instagram und die waren hunderte Kilometer entfernt.

Auch bei den ersten Konzerten hat sich dann nichts geändert. Durch die Bank waren fast immer nur Männer dabei. Egal, ob als Bühnen- und, oder Tontechniker, Musiker oder Lichttechniker. Da waren einfach keine Frauen. Wenn ich die Bühne mit einer Kollegin teilen durfte, dann war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass diese singt. Auch wenn ich nach Musikerinnen gefragt habe, konnte mir kaum jemand Namen nennen und wenn doch, dann war schnell zu merken, dass nicht mit Überzeugung an das Talent der Musikerin geglaubt wurde. Fast so, als hätte man mich darauf konditioniert zu denken, dass Frauen als Musikerinnen einfach nicht gut genug sind.

© Valentina Vale

Sich ständig beweisen zu müssen 

Ich stelle es mir sehr unangenehm vor, mich ständig und jeden Tag gegen meine männlichen Kollegen durchsetzen und mich beweisen zu müssen. Nicht ernst genommen zu werden und es viel schwerer zu haben, in Bands aufgenommen zu werden. Wenn niemand aufrichtig an dein Talent glaubt, wie soll man das selber lernen? Vor allem, wenn man anfängt, Musik zu machen. 

Wenn man anfängt, Musik zu machen, ist man nämlich ziemlich verletzlich. Zumindest war das bei mir so. Immerhin hatte ich absolut keine Ahnung von dem Business. Ich befand mich mit Musikern im Raum, die im Vergleich zu mir bereits auf wahnsinnig vielen Bühnen standen und im Studio und Proberaum über Jahre Erfahrungen gesammelt haben. Ich wusste nicht mal, wie ich die Boxen und das Mischpult im Proberaum bedienen soll. Tatsächlich hatte ich auch manchmal das Gefühl, es wäre meinen Mitmusikern unangenehm, wenn nicht sogar peinlich. 

Klare Rollenverteilung

Ich habe also gelernt zuzuschauen. Und das habe ich bis heute nicht aufgehört. Wenn die Mitmenschen davon ausgehen, dass man wissen muss, wie das Business läuft, um nur ansatzweise ernst genommen zu werden, dann lernt man schnell dazu. Und man beginnt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Als ich meine Band gegründet habe, war diese Band meine Welt. Endlich konnte ich das machen, wovon ich geträumt habe. Es war aber schnell klar, dass, wenn ich dieser Band keine Möglichkeiten verschaffe, dann gar nichts voran gehen würde.

Wenn ich nicht selber Konzertlocations anfrage und Auftritte verbuche, Zuschauer*innen zum Kommen animiere, die sozialen Medien mit Inhalten versorge, Mails beantworte, Finanzen dokumentiere und Proberaumkosten kläre, dann kommen wir nicht sonderlich weit. Wirklich motiviert etwas aus dem Projekt zu machen, war nur ich selber und das habe ich auch zu spüren bekommen. Ich hatte damit aber kein Problem. Im Gegenteil, ich wollte all das machen. Ich wollte einen Einblick ins Business bekommen.

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Wenn ich heute zu den Anfängen zurückschaue, dann sehe ich die einseitige Arbeitsteilung nicht mehr als selbstverständlich. Vor allem nicht, nachdem ich gesehen und miterlebt habe, mit welcher Überzeugung und welchem Engagement meine Bandkollegen bei ihren anderen Bandprojekten involviert waren. An dieser Stelle ist es notwendig festzuhalten, dass Amy Wald damals wirklich ein Band- und kein Soloprojekt war. Auf Pressefotos war jedes Bandmitglied zu sehen, Interviews wurden nur gemeinsam geführt und wir haben uns überall als Band vorgestellt. Jedes Bandmitglied war gleichwertig und wurde auch gleichwertig behandelt und bezahlt. 

Erst als mehr Leute zu den Konzerten kamen, größere Interviews, Konzerte und Gagen reinkamen, konnte ich spüren, dass ich nicht mehr nur alleine an das Projekt glaube. Ich musste mich beweisen. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, weil ich eine Frau bin.

Bin ich nicht gut genug, nur weil ich eine Frau bin? 

Wenn man sich als Frau tagtäglich beweisen muss, weil nicht davon ausgegangen wird, dass man sich im Business, mit Instrumenten, auf der Bühne oder im Proberaum auskennt, dann kann das ziemlich schnell einschüchternd sein. Ich habe mir über die Jahre eine dicke Haut zugelegt, hatte und habe aber heute noch immer wieder das Gefühl, dass ich nicht gut genug für das Business bin. 

 

© Valentina Vale

Wenn ich nicht lautstark äußere, dass ich weiß, wie ich meine Gitarre mit Effektgeräten und dem Vorverstärker verbinde, dann wird mir geholfen, ohne, dass ich konkret danach gefragt habe. Klingt von außen betrachtet auch vermutlich sehr nett und manche Menschen meinen das auch sicher so. Ich habe aber bei keinem einzigen Konzert bisher erlebt, dass männlichen Musikern diese Hilfe angeboten wurde, ohne, dass sie danach gefragt haben. Ich finde, Hilfe anbieten auch alles andere als verwerflich. Im Gegenteil, wir sollten uns alle mehr helfen und Hilfe anbieten, aber warum wird nur mir – einer Frau – diese Hilfe angeboten?

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Wenn ich dann den Blick von der Bühne ins Studio mache, sieht die Frauenquote noch viel trauriger aus. Noch nie wurde mir eine Produzentin empfohlen. Maximal für allererste Demo-Aufnahmen, die dann aber in weiterer Folge von Männern überarbeitet, „qualitativ“ abgeändert werden. Zwischen 2013 und 2018 gab es keine einzige „Producer of the year“ Grammy-Nominierung für eine Frau. Keine einzige. Bei der Auswertung von 300 erfolgreichen Songs durch die USC Annenberg kamen auf eine Produzentin 49 Männer. Auf 2 Frauen einer unterrepräsentierten Minderheit kamen 651 Männer. Das Musikbusiness hat ein großes Problem und vielen ist es gar nicht bewusst.

Wir brauchen gegenseitige Unterstützung, Empowerment und Gender Balance

Wie könnte man diesem Problem also entgegenwirken? Zum Beispiel durch Initiativen. Die Keychange Bewegung ist eine von der EU geförderte Initiative für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Musik. Und dabei reden wir zum Glück nicht nur von einer Initiative für Frauen, sondern für alle unterrepräsentierten Gender und Genderidentitäten.

Das Ziel von Keychange ist es, von Festivals, Agenturen, Musikorganisationen und Labels das Versprechen zu bekommen, bis 2022 „gender balance“ zu erreichen. Dafür vertritt Keychange beispielsweise Künstlerinnen und vernetzt diese mit Festivals, Firmen und Agenturen.

Solche Initiativen müssen meiner Meinung nach unterstützt werden. Die sozialen Medien sind dafür ein ideales Sprachrohr. In den letzten Jahren wurde die Diskussion über eine „gender balance“ und Gleichberechtigung zum Glück immer lauter. Über Social Media wird beispielsweise der Druck auf Festivals immer stärker und führt dazu, dass die Festivals mehr “Female Artists” in ihr Programm aufnehmen. 

© Valentina Vale

Wenn die Repräsentation von Female Artists steigt, dann wird es für junge Mädchen mehr Künstlerinnen geben, von denen sie sich inspirieren lassen können. Wir müssen der jungen Generation zeigen, dass sie auf eine Bühne können – egal welches Geschlecht und welche Geschlechtsidentität. 

Auch Musikcamps können helfen, jungen Mädchen vermehrt die Musik näher zu bringen, genauso wie Facebookgruppen, die Female Artists untereinander vernetzen und bei der Suche nach Produzentinnen, Songwriterinnen, Bandmitglieder oder Ton- und Lichttechnikerinnen helfen.

Egal, wie wir dieses Problem in Zukunft angehen und was wir dagegen tun wollen, eines ist klar: Es muss sich etwas ändern. Und zwar bald.

Über Amy

Amy Wald entdeckte ihre Liebe zur Musik mit 16 während eines selbst organisierten Auslandssemesters in England. Inmitten ihres Maturajahres gründete die junge Salzburgerin ihr vorerst als Band angelegtes Projekt ‚Amy Wald‘. Mittlerweile ist sie mit ihrem Song ‚Mehr als nur ein Like‘ in den österreichischen Charts und veröffentlichte vor Kurzem ihre neue Single „Freaks“.