Die Herausforderungen und Anspannungen, mit denen ich in einer interkulturellen Beziehung umgehen lernen musste

  • Lesedauer: 3 Minuten

“Dein Freund ist ja schon wieder Ausländer – suchst du dir das absichtlich aus?”

“Nein, Anna-Lisa, ich suche mir meine Freunde nicht nach ihrem Phänotypen aus, du etwa?”

Seit langem wundere ich mich, warum mir diese Frage so oft gestellt wird. Wenn die zwei Freunde, die ich bis jetzt gehabt habe, autochthon gewesen wären, Maximilian oder Peter hießen und weiß wären, wäre ich das bestimmt nicht gefragt worden.

Warum ich mich mit Menschen verbunden fühle, die keine “Bio-Österreich*innen” sind

 

Ich selbst bin Jüdin, aufgewachsen inmitten einer winzig kleinen Gemeinde, als Teil der dritten Generation Juden und Jüdinnen in Europa. Die Biografie meiner vier Großeltern ist verheerend, meine Eltern sind in einem Nachkriegs-Deutschland/Österreich aufgewachsen. Obwohl ich gar nicht religiös bin, ist es mir wichtig, meine Kultur zu bewahren. Zu oft hat man schon versucht, sie auszulöschen.

© BAM! | Marietta Dang

Nachdem ich auf einer öffentlichen Schule war und mit Multikulturalität groß geworden bin, spielt es für mich keine Rolle, welche Religion, Hautfarbe oder Zugehörigkeit irgendeine*r meiner Freund*innen hat – warum sollte es also bei der Partnerwahl anders sein.

Was ich aber schnell bemerkt habe, ist, dass Menschen, denen wegen ihres Vornamens oder ihres Aussehens auch die Frage “woher kommst du eigentlich?“ gestellt wird, automatisch etwas mit mir gemeinsam haben. Diese nervigen Fragen der Mehrheitsgesellschaft schweißen mehr zusammen, als uns alle Unterschiede trennen können. So kam es, dass mein erster Freund halt eben Moslem war und ich auf einmal die Jüdin mit dem „Ausländerfetisch“.

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Welche Bemerkungen ich mir anhören musste, weil ich Jüdin bin und mein Freund Moslem und POC war

 

Als wir uns damals entschlossen haben, unsere Beziehung öffentlich zu machen, hätten die Reaktionen kaum unterschiedlicher sein können. Die einen dachten, es ist nur ein Gag und ich werde bestimmt gleich sagen „Nein, er heißt nicht Mohammed* er heißt eh Alexander…“. Manche waren sogar ernsthaft um meine Sicherheit besorgt, es könnte ja die Gefahr bestehen, dass mein Freund ein Terrorist ist. Die anderen waren ganz entzückt. “Wow, das ist doch schön, Liebe kennt keine Grenzen“.

© BAM! | Marietta Dang

Einmal wurde ich sogar gefragt, ob ich bei einem Friedensprojekt mitmachen möchte, wo sich Menschen mit unterschiedlichen Herkünften für ein Foto küssen und dabei ihre Pässe in die Kamera halten. Blöd nur, dass wir den gleichen Pass haben. 

 

Also ist das, was ich da mache, überhaupt interkulturelles daten? Wir sind immerhin nur ein paar Kilometer voneinander aufgewachsen und kommen nicht vom anderen Ende der Welt. Auch hier eint uns wieder mehr als uns trennt.

 

Eine schöne Seite von Multikulturalität ist, dass man doppelt so viele Feste feiern kann

 

Man könnte jetzt meinen, es wäre anstrengend, in einer Beziehung mit unterschiedlichen Hintergründen zu leben. Es hat aber definitiv viele Vorzüge, zum Beispiel an den verschiedenen Feiertagen. Seit Jahren lade ich zu Weihnachten all meine Freund*innen, die nicht christlich geprägt sind, ein und wir verbringen den Abend zusammen. 

 

© BAM! | Marietta Dang

In den USA ist es Tradition, dass jüdische Menschen an Heilig Abend chinesisch essen gehen, da diese Restaurants am 24. Dezember immer geöffnet sind. Umso mehr hat es mich gefreut, letztes Jahr bei der Familie meines Freundes eingeladen gewesen zu sein, die zwar ursprünglich buddhistisch ist, aber sehr assimiliert lebt. Bei ihnen Zuhause gab es fast jeden Tag andere Köstlichkeiten aus dem asiatischen Raum. Es war quasi unsere Version des jüdisch-chinesischen Weihnachten, nur eben nicht in New York City, sondern in einer deutschen Kleinstadt. Dass Shrimps nicht koscher sind, ist an der Stelle einfach zu ignorieren.

© BAM! | Marietta Dang

Ich muss zwar mit unnötigen Kommentaren umgehen, weiß aber, dass diese meine Beziehungen überhaupt nicht definieren oder ausmachen. Nachdem ich durch meine eigene Identität schon längst an Fremdzuschreibungen gewöhnt bin, hat mich das alles weder überrascht noch überrumpelt oder verändert. In meinem Beziehungsalltag spielt das also keine Rolle – wir reden, lachen und streiten über die gleichen Dinge, wie jedes andere Paar. Und es fühlt sich ganz normal an. 

Über die Personen:

*Namen von der Redaktion geändert.