Warum Dexpleen versucht, einfach so zu leben, wie es sie glücklich macht!

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Dexpleen ist Musikerin, Producerin und vor allem eine ehemalige Schulkollegin von mir. Nach Corona wollte ich wissen, wie es der jungen Künstlerin geht, die seit eineinhalb Jahren ihrem Beruf nicht mehr nachgehen konnte. Wie ihr erster Auftritt nach der Pandemie war, wie ihre mentale Gesundheit darunter gelitten hat und warum sie mit drei dreißigjährigen Cis-Dudes in einer Band spielt, sich aber gleichzeitig für offene Sexualität einsetzt, habe ich Dexpleen bei einem gemütlichen Plausch in einem Wiener Lokal gefragt. 

 

Dexpleen, du bist beim Donauinselfest aufgetreten, warst du nervös? 

Ehrlich gesagt ist das mit der Nervosität nach etlichen Auftritten nie besser geworden. Es ist körperlich extrem anstrengend für mich, auf der Bühne zu stehen, da ich starke Anxiety habe und das macht sich bei mir primär durch körperliche Schmerzen bemerkbar. 

 

Wie bereitest du dich denn mental auf deine Konzerte vor?

Was mir vor allem hilft, ist Ruhe vor und nach der Show. Wenn Leute nach einem Gig kommen und mich direkt anquatschen, bin ich meist richtig überfordert und denke mir He, ich existiere noch gar nicht, ich muss mal kurz durchatmen!“ Also, natürlich ist mir bewusst, dass das von den Leuten keineswegs böse gemeint ist, aber ein wenig Ruhe ist das einzige was hilft. Meistens nutze ich auch die Zeit davor, um mich aufzuhypen, also vor allem durch Musik. Dann nehme ich mir immer meine Me-time und versuche mich zu spüren und einfach selbstbewusst außer Haus zu gehen.

 

© Cansu Tandogan

Same, ich glaub in unserer Generation hat jeder eine gewisse Hype-Playlist, durch die man sich dann einfach gut fühlt. Wen und was findet man so in deiner?

Ich höre momentan extrem viel Hip-Hop und Rap, sogar auch Deutschrap mittlerweile. Ich muss ehrlich sagen, früher hatte ich das Gefühl, ich kann diese Musikrichtung gar nicht für mich entdecken, weil sie so von Homophobie und Sexismus geprägt ist. Natürlich habe ich auch meine Guilty-Pleasures, manchmal fetzt die Produktion und der Beat, aber ich würde trotzdem niemals FLINTA*-feindliche Artists öffentlich unterstützen, deren Musik auf Spotify anhören, zu einem Konzert von ihnen gehen oder buchen. 

 

Aber generell finde ich Rap einfach extrem stark und deshalb höre ich es momentan viel, besonders wenn ich mich selbst in eine Situation bringen will, wo ich überzeugt selbstbewusst sein will, ist Rap/Hip Hop einfach das Beste. 

Du hast ja jetzt nach dem Lockdown auch schon einige Konzerte gespielt, wie war das für dich, nach so einer langen Pause mal wieder die Gesichter hinter deinen Streams zu sehen?

Es war schwerer als sonst, einfach irgendwie ungewohnt wieder so viele Leute zu sehen und deren Energie auch mitzubekommen. Für mich ist es am wichtigsten, mit meiner Band in einer Situation zu sein, wo wir uns alle wohlfühlen. Denn lustigerweise spiele ich mit drei 30-jährigen Cis-Männern in einer Band. Du setzt dich für so viel ein und dann spielst du mit drei Männern in einer Band”, bekomme ich oft zu hören. Das bringt mich dann immer zum Lachen. Sie sind alle drei super lieb und ich glaube, dieses gegenseitige Unterstützen und das Vertrauen, das ist, was es ausgemacht hat nach Corona.

 

© Cansu Tandogan

Wie haben sich die Lockdowns auf dein Schaffen als Musikerin/Produzentin ausgeprägt, also sprich wie war dein Workflow, was hat der Lockdown bei dir ausgelöst?

Gefühlt alle anderen Artist um mich herum sagen, dass sie endlich viel Zeit hatten und voll produktiv waren, aber ich muss ehrlich sagen, für mich war es schrecklich! Ich hatte extremen Leistungsdruck, jede Person um mich herum hat Musik released und ich habe mich ständig verglichen. Deshalb hab ich für eine Zeit eine Pause eingelegt. Es ist ja auch einfach mal okay, nichts zu tun. 

 

Wir sind ja gemeinsam in die Unterstufe gegangen. Ich weiß noch, dass du als junger Teenager Covers auf YouTube geladen und deine Sexualität einfach frei ausgelebt hast. Das war damals leider noch ein großes Gesprächsthema. Jede*r kannte auf einmal deinen Namen und hatte eine Meinung dazu. Für mich als queere, kunstinteressierte Person war es extrem wichtig und schön zu sehen, wie frei und offen du zu dir selbst standest, obwohl wir uns in einem Umfeld befanden, in dem Leute vorwiegend negativ auf Kunst und Sexualität reagierten.  Trotz Gossip und Homophobie hast du dein Ding durchgezogen, egal was unsere heteronormative Gesellschaft dazu gesagt hat. Sag, wie bist du stark geblieben? 

Ja, das war damals in der Unterstufe echt nicht einfach, die anderen Mitschüler*innen und manche Lehrer*innen haben sich aus irgendeinem Grund definitiv provoziert gefühlt. Es ist wirklich schön zu hören, dass ich anderen ein wenig helfen konnte. Das freut mich unglaublich, denn die Kommentare haben früher schon sehr weh getan. 

 

Wie ich so stark geblieben bin? Ich habe ehrlich gesagt nie darüber nachgedacht, dass ich ‘mutig’ oder ‘stark’ bin oder so. Ohne Mutter und nur mit Männern aufzuwachsen, hat mich bestimmt geprägt, weil ich schon immer meinen Stuff durchgezogen habe und in manchen Bereichen wenig Unterstützung erhalten habe. Selbstständigkeit erfordert halt irgendwie Stärke, sonst geht man unter.

© Cansu Tandogan

Wie hat sich das ganze dann in deinen weiteren Jahren etabliert, hast du heute noch Probleme wegen diesen Erfahrungen?

 

Ich habe einfach nie irgendwo reingepasst und ich glaube auch heute nicht, dass ich irgendwo rein passe. Früher nahmen viele meine Art als Rebellion wahr, heute nennt man es mutig. Aber ich mache einfach mein Ding, weil ich keine andere Wahl habe. Das ist nicht mein Teil der Emanzipation als Frau oder eine Demonstration von Macht. Es ist für mich nicht möglich zu existieren, wenn ich nicht queer und feministisch sein kann, aber trotzdem Fußball feiern und Mode lieben kann. Ich versuche nicht zu polarisieren in dem ich in Gegensätze lebe, sondern lebe einfach so, wie es mich glücklich macht. Also klar muss ich bis zu einem gewissen Grad darauf sch*ißen, was andere Leute von mir denken, sonst hält man es ja nicht aus. Trotzdem ist es mir nicht egal und es ist nervenraubend sich andauernd erklären und rechtfertigen zu müssen.

 

Du hast mir vorhin erzählt, dass deine Single ‘Back To You’ mittlerweile gar nicht mehr wirklich repräsentiert, was für Musik du machen möchtest. Sag, was können wir denn von dir musiktechnisch in der nächsten Zeit erwarten? 

Ich release im September ein Musikvideo und eine Single, worauf ich mich sehr freue! For real, ich glaube echt, ich hab für nichts in meinem Leben härter gearbeitet als für dieses Video! Wir haben insgesamt vier Tage gedreht von vier Uhr in der Früh bis elf Uhr am Abend, es war crazy anstrengend, aber hat sich definitiv gelohnt! Im Frühjahr 2022 würde ich gerne meine EP releasen. 

 

© Cansu Tandogan

Mir ist wichtig, dass sie divers wird. Mich auf ein Genre festzusetzen, fühlt sich falsch an. Die kommende Single ist aber sehr Elektro-Pop lastig. Coldplay war zum Beispiel eine große Inspiration. Ich bin gespannt, wie die Leute darauf reagieren. Fingers crossed auf jeden Fall.

Dexpleen hat nicht nur mich inspiriert, sondern inspiriert mit ihrer Ehrlichkeit auch ihre vielen Hörer*innen. Trotz Corona und Gesellschaftsnormen führt sie ein Leben, wie sie es sich wünscht und das nur durch Selbstakzeptanz möglich ist – von ihr können wir noch viel lernen! Und bis sie uns mit neuer Musik beglückt, genieß ich ihre Single ‘Back to you’! 

Über Su

Die gebürtig türkische Wienerin ist aus der grünen Donaustadt ins gut-duftende Favoriten übersiedelt, um ihrer Leidenschaft, dem visuellen Storytelling, nachzugehen. Mit einem großen Sinn für Gerechtigkeit und einem Gespür für Menschen ist es ihr besonders wichtig zu lernen, wie man Emotionen authentisch einfängt und auf sozio-politische Themen künstlerisch aufmerksam macht. Ihre aktuellen Projekte kann man unter @lautestimmen verfolgen.