Mit welchen Herausforderungen ich als Migra-Kind in der Schule konfrontiert war

  • Lesedauer: 3 Minuten

Ich erinnere mich an meinen ersten Schultag in der Volksschule. Das Mädchen neben mir wollte sich nicht zu mir setzen und meinte zur Lehrerin: “Die Ausländerin stinkt!“ Zehn Minuten später ist die Lehrerin die Namensliste durchgegangen und hat meinen Namen falsch ausgesprochen – ohne sich dabei zu bemühen, ihn richtig auszusprechen oder nachzufragen.

Ich war unsichtbar und fehl am Platz. Doch ich bin nicht alleine mit diesen Erfahrungen.

Das Schicksal unserer Eltern ist auch unseres

Rassismus begleitet uns Migrant*innen in diesem Land andauernd. Wir erleben es auf der Arbeit, bei Behördengängen, vom medizinischen Personal und von klein auf in der Schule. Viele von uns in Österreich sind Nachkommen von Gastarbeiter*innen. Wir haben Eltern, die nie studieren konnten und ihr Leben vollständig der Lohnarbeit widmen mussten. Oft wird dieses Schicksal – auch, wenn wir immer wieder von Chancengleichheit in Österreich sprechen – an ihre Kinder weitergegeben. 

Studien zeigen, dass ein Drittel der Studierenden aus Akademikerfamilien stammt. Nur sieben Prozent sind Arbeiter*innenkinder, deren Eltern aus einem anderen Land kommen. Die soziale Herkunft der Studierenden hat sich seit 1860 kaum verändert. Bildung wird vererbt und wird zu einem Privileg.

© Cansu Tandogan

Auch ich musste meine Lehrer*innen immer wieder von meinen Fähigkeiten überzeugen, damit ich auf ein Gymnasium konnte. Meine Volksschullehrerin meinte damals zu meiner Mutter, dass ich am besten die Hauptschule absolvieren und danach eine Lehre beginnen sollte. Daraufhin wurde ich in die Hauptschule geschickt, die mich schlichtweg unterfordert hat. Das bemerkten meine Lehrer*innen damals ziemlich schnell. So wechselte ich aufs Gymnasium und bereite mich heute auf mein Masterstudium vor. Doch nicht alle haben dieses Glück.

Bildung macht Migra-Kids einsam

Meine Geschichte ist kein Einzelfall. Es ist struktureller Rassismus, der im Bildungswesen in Österreich existiert. Eine andere Studie zeigt, dass in österreichischen Gymnasien über 84 Prozent Kinder mit deutscher Muttersprache sitzen. Nur 2,4 Prozent sprechen Türkisch und 3.9 Prozent Bosnisch, Kroatisch und Serbisch.

© Cansu Tandogan

Auch ich erinnere mich, dass ich in der AHS-Oberstufe in meiner Klasse die Einzige mit Migrationshintergrund war. Das hat oft dazu geführt, dass ich mich unzugehörig fühlte. Ich hatte kaum Menschen um mich herum, die mich verstanden haben, wenn ich über Rassismuserfahrungen erzählte. Mir hat niemand geglaubt, wenn ich eindeutigen Rassismus von Lehrer*innen am Leib verspürte. „Das bildest du dir nur ein!“, meinten Lehrer*innen, denen ich mich anvertraut hatte.

 

Im Deutschunterricht wurden meine Texte strenger und dementsprechend schlechter benotet als die meiner österreichischen Schulkolleg*innen, wobei ihre Grammatik und Rechtschreibung offensichtlich schlechter war als meine. Doch wie hätte ich das beweisen können, wenn mir keiner zugehört oder gar geglaubt hatte?

Wenn Elternsprechtage zur Hölle werden

Viele Migrant*innenkinder werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass Elternsprechtage puren Stress für uns bedeutet haben. Nicht unbedingt, weil unsere Eltern dann von unseren schlechten Noten erfuhren (ja, auch das kam natürlich vor), sondern, weil wir wussten, dass das Deutsch unserer Eltern für einen guten Austausch mit den Pädagog*innen nicht reicht.

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Ich erinnere mich, wie ich Sorge davor hatte, dass sich meine Mitschüler*innen oder gar Lehrer*innen über das gebrochene Deutsch meiner Mutter lustig machten. Abgesehen von der Angst vor rassistischer Demütigung, hatten meine Eltern auch kaum Zeit für Elternsprechtage, weil sie durchgehend gearbeitet haben.

© Cansu Tandogan

Im Gymnasium war ich eine von wenigen, die ohne Eltern beim Elternsprechtag dastand – wenn ich Glück hatte, war mein Cousin mit. Auch das warf schlussendlich ein schlechtes Licht auf mich: Ich wirkte wie die Schülerin, die sich nicht darum bemühte, ihre Eltern zum Elternsprechtag einzuladen. Die Kritik spürte ich auch anschließend von Lehrer*innen.

Manche Kinder dürfen Kinder bleiben, andere nicht

Als ich das allererste Mal in der Unterstufe erfahren habe, dass meine Schulkolleg*innen Hilfe und Unterstützung von ihren Eltern bei ihren Hausaufgaben bekamen, war ich ziemlich schockiert. Bei uns zu Hause war es eher das Gegenteil. Ich bemühte mich, mit elf Jahren Behördendokumente für meine Mutter zu lesen und sie zu übersetzen.

 

Natürlich hatte ich als Kind keine Ahnung, was das Finanzamt von meinen Eltern wollte, doch ich hatte keine andere Wahl, sonst hieß es: “Wozu schicken wir dich sonst in die Schule? Du musst das doch verstehen können?“ Ich nehme das meinen Eltern nicht übel. Sie hatten selbst keine Ahnung, welches Deutschlevel man als 11-Jährige spricht oder wie kompliziert die Sprache in den Behördenbriefen war.

© Cansu Tandogan

Ich war neidisch auf die anderen. Ich wollte genauso wie sie schulische Unterstützung bekommen, doch die gab es für mich nicht. Stattdessen musste ich – und auch viele andere Kinder mit Migrationshintergrund – schnell erwachsen werden und Verantwortung übernehmen.

In Österreich muss man Glück haben, wenn man Zugang zu Bildung möchte. Alle anderen müssen sich entweder 10-Mal mehr bemühen oder geben die Hoffnung komplett auf. Doch eine faire Gesellschaft muss jedem einzelnen Menschen dieselben Ressourcen, Chancen und Mittel anbieten – unabhängig von sozialer Herkunft oder vom Migrationshintergrund.

Doch es tut sich was: Das Lehrpersonal mit Migrationshintergrund steigt in Österreich. Vielfältige Repräsentation im Bildungswesen wird einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass Migrant*innenkinder einerseits Anschluss finden und andererseits weniger rassistische Diskriminierung erleben und schlussendlich fairer behandelt werden.

Über Teach for Austria:

Teach For Austria wurde 2011 gegründet. Seither setzt sich die Organisation für Bildungsgerechtigkeit ein und verfolgt ihre Vision: 2050: Jedes Kind hat die Chance auf ein gutes Leben – egal, wie viel Geld oder Bildung seine Eltern haben.

Über Berfin

Berfin Marx studiert Politikwissenschaften. Auf ihrem IG-Account @berfin.marx schafft sie einen Safe Space, bei dem sie über Rassismus, intersektionalen Feminismus und Klassenbewusstsein aufklärt und andere Menschen dazu inspiriert, sich zu engagieren oder einfach nur ihren Wissenshorizont zu erweitern.