Die österreichische Enten-Community und warum Millennials diesem wirklich alten Club beitreten

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Als Mittzwanziger an alten Autos rumschrauben? Klingt ungewöhnlich, ist aber das liebste Hobby des 24-jährigen Sebastian van Veen. Schon von klein auf hat sich der Kärntner in die Gemeinde der Enten-Restaurateur*innen eingelebt und auch das Geschick entwickelt, die Kleinwagen nach Bedarf anzupassen. Wir haben Sebastian einige Fragen zu seinem Hobby gestellt und herausgefunden, wie er sich bei den alljährigen Ententreffen als junger Mann mit vorwiegend älteren Kamerad*innen fühlt.

Wie bist du eigentlich in diese Community hineingestolpert und wie lange hegst du schon ein Interesse dafür?

Gab (so wird Sebastian gerne von seinen (Enten-)Freund*innen genannt): Ich kann mich noch erinnern, es war 2001 und ich war 5 Jahre alt, als ich auf mein erstes Ententreffen ging. Ich bin in der Szene sozusagen aufgewachsen. Mein Stiefvater ist Entenfahrer seit den 70er Jahren. Damals wurden sie noch neu verkauft und er hat meine Mutter und uns Kinder mit reingebracht. Die Entenszene ist eine weltweit vernetzte Community, die regelmäßig Treffen veranstaltet, bei denen gemeinsam auf Wiesen gecampt wird, meistens über ein Wochenende mit Lagerfeuer und viel Bier am Abend. Für uns Kinder war das natürlich immer ein Riesenspaß in der Wildnis zu sein und tagelang herumzutoben. Jetzt als junger Erwachsener bin ich sehr gerne dabei, um die Natur zu genießen, Freunde wiederzutreffen und einfach Spaß zu haben.

© BAM! | Bih Fon

Besitzt du selbst eine Ente?

G: Ich besitze eine Akadyane, Baujahr 1982 in der Farbe Bleu Camargue. Das ist eine Ente mit Kastenaufbau und wurde damals als Firmenfahrzeug für einen Hafnermeister benutzt. Heute habe ich sie in ein vollwertiges Wohnmobil umgebaut, mit 2 x 1 Meter langem Bett, Stauraum, Küche und sogar einer Dusche. 

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Hast du dir das technische Know-How selbst beigebracht?

G: Ich habe eine technische Ausbildung abgeschlossen, aber, um an diesen Autos schrauben zu können, muss man sich sehr gut mit der Materie auseinandersetzen. Wir haben zuhause eine Hobby-Werkstatt, in der man Autos bis in die kleinsten Bestandteile zerlegen und neu aufbauen kann. 

„Ich bin schon als kleiner Junge in der Werkstatt gestanden, kann aber erst jetzt mit 24 sagen, dass ich ungefähr weiß, wie es funktioniert.“

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Wie reagieren andere junge Leute und deine Freund*innen auf dein Hobby?

G: Die meisten Freunde, denen ich von meinem Hobby erzähle, sind vor allem von den Fähigkeiten, die es braucht, um diese Autos in ihren Grundfesten zu reparieren und zu restaurieren, begeistert. Es gehört schon einiges dazu, Reparaturbleche für die originale, eher rostanfällige Karosserie herzustellen und einzuschweißen, oder ein Getriebe zu überholen. Den meisten imponiert das.

Hast du zuhause Freund*innen und Bekannte, die dein Hobby mit dir teilen?

G: Die Entenfahrer Community ist weltweit vernetzt, und klar in Kärnten sind genauso Leute wie in Japan oder Australien.

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In welchen Städten (oder Ländern) hast du bereits an Ententreffen teilgenommen?

G: Dadurch, dass ich in der Szene aufgewachsen bin und meine Eltern regelmäßig auf Treffen fuhren, habe ich fast alle Teile Österreichs und große Teile Europas kennengelernt. Es ging von Norddeutschland über Polen und Tschechien bis nach Kroatien, Slowenien, Italien, Frankreich, Monaco, Schweiz, Spanien und Portugal. Immer von Campingplatz zu Campingplatz, um am Ende beim Treffen anzukommen.

© Rainer Birne Behrends 

Wie lange gehen die Treffen und welche Aktivitäten betreibst du, wenn du hingehst? Könntest du uns vielleicht einen typischen Tagesablauf dort schildern?

G: Bei Ententreffen geht es darum, alte Freunde wieder zu sehen und den Lifestyle zu leben, ein paar Tage im selbstgebauten Bett im Auto zu schlafen und vor allem zu entspannen. Am besten an einem schönen Ort mit Aussicht. Am Abend darf das traditionelle Lagerfeuer nicht fehlen, wo bis spät in die Morgenstunden Musik auf Gitarren gespielt wird, jeder mitsingt und Alkohol konsumiert wird. Die meisten regionalen Treffen dauern von Freitag bis Sonntag mit der Möglichkeit ein paar Tage dran zu hängen. Internationale Treffen dauern meist 4 bis 7 Tage.

Fährst du alleine zu den Ententreffen oder in Begleitung von Freund*innen und anderen Entenliebhaber*innen? 

G: Es ist ein tolles Feeling, wenn mehrere Enten im Konvoi über lange Strecken fahren. Oft verabredet man sich mit Freunden, um den langen Weg zu internationalen Treffen gemeinsam zu fahren. Allen voran aber, um am Abend am Campingplatz gute Gesellschaft zu haben.

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Wenn das Treffen vorbei ist, beschäftigst du dich dann in deiner Freizeit weiterhin mit den Autos?

G: Ja klar, meine Acadyane ist mein Alltagsauto. Mit solchen Autos wird einem nicht langweilig. Man kann vieles verfeinern und optimieren. Das Auto hat zwar (original) nur 32 PS, kann aber ordentlich was transportieren. So würde eine Standard Europalette in den Kofferraum passen und durch die niedrige Übersetzung genügen hierzu auch die 32 PS. Wenn was defekt ist, kann man es fast immer auf der Straße reparieren, um zumindest wieder bis nach Hause zu kommen.

 

Hast du über die Jahre bestimmte Tipps oder Hacks erlernt, die du einem Neuankömmling mitgeben möchtest?

G: Sei offen für alles und bringe guten Humor mit. Es ist egal, ob du eine Ente fährst oder nicht. Die Szene ist bunt gemischt und jeder findet Platz. Das Motto ist stets: „Ceci n’est pas une voiture, c’est un art de vie“, also „Die Ente ist kein Auto, es ist eine Lebensart“.

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Sebastian hat bereits in der Community Fuß gefasst und möchte sich bestimmt nicht mehr von seinen Enten-Freund*innen trennen. Welchen ungewöhnlichen Hobbys gehst du nach? Schreibe uns eine Mail an redaktion@bam-magazin.at und weihe uns in deine Community ein und vielleicht gibt’s deine Story im nächsten Artikel zu lesen! 

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© Rainer Birne Behrends

Über Bih

Von klein auf waren das Geschichtenerzählen und Schreiben eine kreative Ausdrucksform für Bih. Diese leidenschaftliche Arbeit verleiteten sie zur Fotografie und Videobearbeitung bis hin zum Websitecoding. Des Weiteren findet man sie an Wochenenden auch auf ihrem örtlichen Flohmarkt, da sie eine begeisterte Thrifterin ist.