Wie mich die Ausgangssperre gelehrt hat, mit weniger zu leben

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Klopapier ist das heiß begehrteste Ding im Supermarkt, Masken sind Gewohnheitssache und eineinhalb Meter sind viel mehr als man eigentlich denkt. Das sind wohl die offensichtlichsten Dinge, die ich während der Ausgangssperre gelernt habe. Etwas, das ein bisschen tiefer geht und mich immer noch nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass ich die letzten Wochen gemerkt habe, dass ich mit viel weniger auskomme als ich glaubte, vor allem, wenn es wirklich darauf ankommt. 

Minimalismus ist ständig irgendwie ein Thema; nicht nur in meinem Leben, sondern allgemein. Immer wieder wird man an allen Ecken aufgefordert, weniger zu kaufen, die kleinen Dinge zu schätzen und behutsam mit der eigenen Zeit umzugehen. Was eigentlich nach Spaß und Selbstbefreiung klingt, kann – wenn man mehr oder weniger dazu gezwungen wird – aber auch ganz schön belastend sein. 

Die Ausgangssperre der letzten Wochen hat mich, ja eigentlich uns alle, dazu verdonnert, zuhause zu bleiben, unsere Freund*innen und Familie physisch zu meiden und unser Konsumverhalten einzuschränken. Der Kaffee am Morgen im Lieblingslokal mit der besten Freundin, die spontanen Abstecher in die Buchhandlung oder auch der Lebensmitteleinkauf um zehn vor acht am Abend waren plötzlich in weite Ferne gerückt.

Anpassen statt resignieren

Was anfangs nach einer kompletten Umstellung aussah (war es wohlgemerkt auch), entwickelte sich mit der Zeit aber zu einer neuen, sehr achtsamen Routine. Der Mensch ist schließlich in der Lage, sich recht schnell an unvorhersehbare Situationen anzupassen, so auch an diese.

Ich habe also rasch gemerkt, dass ich auch mehrere Tage ohne neue Lebensmittel auskomme, nicht jedes Monat auf ein Konzert gehen muss und ich meinen für Anfang Mai geplanten und nun gecancelten Urlaub an die französische Westküste auch irgendwie mit anderen tollen Aktivitäten ersetzen kann. Klar, macht einen das im ersten Moment zwar traurig, aber schlussendlich lernt man auch irgendwie damit umzugehen.

 

Vor allem lernt man aber, die Dinge nicht für ganz so selbstverständlich zu erachten, wie man es bisher getan hat. 

Was nach einem klischeehaften Kalenderspruch klingt, ist für mich eine der wohl wichtigsten Erkenntnisse dieser Ausnahmesituation. Denn wer weniger hat beziehungsweise bekommt, weiß das Vorhandene auch mehr zu schätzen, oder etwa nicht? 

Das Verlangen nach neuen Dingen, die Gewohnheit, alles zu jeder Tages- und Nachtzeit zu bekommen und sich draußen in der Welt frei zu bewegen, sind von eben dieser Selbstverständlichkeit irgendwie zu einem Privileg geworden.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Natürlich steht nun die Frage im Raum, ob sich dieses Privileg auch noch wie eines anfühlt, sobald sich dieser Ausnahmezustand wieder komplett verabschiedet hat, oder ob dann alles wieder in altbekannte Muster zurückfällt. Unser Land kommt langsam wieder in den “Normalzustand” zurück und so vielleicht auch meine Gewohnheiten. 

Ich denke aber, eine Prognose hierzu wäre genauso vage wie eine zum tatsächlichen Ende dieser Pandemie. Es wäre auf jeden Fall wünschenswert, die aktuellen Routinen fortzuführen, eventuell sogar noch zu vertiefen und diese vielleicht als Startschuss für ein Leben mit weniger, aber trotzdem mit allem Notwendigen zu sehen.