Finding the Me in “Memes” – Wie ich durch Internet-Witze zu mir selbst fand

Klingt dramatisch, aber für viele kreative Menschen waren Memes mehr als nur ein paar lustige Bilder im Internet. Ich bin mir sogar sicher, dass sie der ausschlaggebende Faktor dafür waren, wer ich heute bin. So ähnlich wie meine Geschichte wird auch die von vielen anderen ausgesehen haben. Also erzähle ich, was mir passiert ist, um zu illustrieren, wie die Meme-Kultur ein Zuhause für die Weirdos einer ganzen Generation wurde.

Ich betrachtete mich schon immer ein bisschen als „Entertainer“. Hätte ich weniger Angst gehabt, mich zu blamieren, wäre ich vielleicht sogar offline was in die Richtung geworden. Doch kaum landete ich in der Schule, wurde „normal sein“ großgeschrieben. Bloß nichts Komisches sagen. Außer du bist cool genug, dann ist natürlich alles ein toller Witz. Klassenclown? Oder eher die Lachnummer? Es gibt eine feine Linie dazwischen, wer als lustig wahrgenommen wird und über wen sich lustig gemacht wird. Häufig kommt es da weniger auf den eigentlichen Witz an, sondern eher darauf, aus welchem Mund das Ganze kommt.

 

© Sarah Habaschy

Mit viermal M zum Mobbingopfer

Das kann dazu führen, dass Leute mit miesem Humor sich als besonders lustig empfinden, während anderen das ganze Selbstbewusstsein abgeknöpft wird, weil wieder und wieder der Eindruck entsteht, man könne die eigene Schlagfertigkeit nicht richtig einschätzen. Als Mädchen hatte ich sowieso nicht lustig zu sein, denn die Rolle des beliebten Klassenclowns ging immer an irgendeinen Lukas (Warum hießen 2010 eigentlich alle Jungs Lukas?) 

Und wessen Haut auch nur eine Nuance dunkler war als der Sonnenalm Eiskaffee, wurde gerade in Kärnten sowieso anders behandelt. Niemand also lachte über meine Witze. Das gab mir zu denken. „Bin ich wirklich so unlustig und peinlich, oder bin ich nur ein Mädchen mit Monobraue, Melanin und einer Meinung?“ Doch weil ich nicht glauben konnte, dass die Klassenkameraden mit ihren rassistischen Sprüchen den Gipfel der Comedy entdeckt hatten, machte ich mich mit 13 im Internet auf die Suche nach richtigem Humor.

Als online-affine Außenseiterin war ich mit meiner Augenbraue schon früh auf YouTube unterwegs, wo ich Teil verschiedener Communities war. Mit meinem Fancontent zu Fluch der Karibik und anderen Obsessionen eines 2010er Teenies hatte ich sogar ein paar hundert Abonnent*innen. Das gab mir schon ein bisschen Trost. Doch wie konnte man auf YouTube sein, ohne die Entstehung von Memes mitzuerleben wie Pudi Pudi, Nyan Cat, Trololo und Leeroy Jenkins. Es dauerte nicht lange, bis ich auch auf anderen Seiten wie 9gag und Co. Memes konsumierte, bevor ich überhaupt wusste, dass die so hießen.

© Sarah Habaschy

Ein was? Ein MiiiMiiii? Ein MäMä? 

Ein Meme (Miiieem gesprochen, liebe Boomer) ist eine Idee, ein Insiderwitz. Ein Konzept, bei denen alle wissen, wo die Pointe ist. Man teilt es entweder mit Freund*innen oder erstellt seine eigenen Abwandlungen. Ich wollte mitmachen. So waren meine ersten Memes richtig peinliche “Rage Comics”. Zum Glück finde ich keine der meinigen, jedoch ergötzet eure Augen an diesem Relikt einer simpleren Zeit:

 

So kacke, wie sie auch waren, für damals waren sie nicht mal unterdurchschnittlich. Durch Ausprobieren zeigte sich, was ein guter Joke war und was nicht. Humor war schon immer mein Coping-Mechanismus. Somit wurden Memes zum wichtigsten Outlet meiner Gefühle. Kunst ist ja in erster Linie, seine innersten Gedanken nach außen zu tragen, (sollte mein Nachbar mal mit seinem Müll machen, das Stiegenhaus stinkt schon) wie auch immer das aussieht. 

Und in dieser Hinsicht sind Memes wohl eine der effizientesten Kunstformen. Mit nur einem Bild und ein paar Sätzen verstand jede*r genau, was ich sagen wollte. Jede Schei**e, die einem das Leben entgegen schmiss, war nur Dünger für noch dankere Memes!

© Sarah Habaschy

Give my life some Meme-ing…

Endlich konnte ich meine Ansichten, Witze und Erlebnisse mit der Welt teilen, ohne dass Vorurteile zu meiner Person die Kommunikation trübten. Ohne, dass man mich stottern hören oder durch Augenrollen aus dem Konzept bringen konnte. Nur der Inhalt zählte – nicht, wer ich war. Trotzdem spielt es auch im Internet eine Rolle. Outete der Inhalt meiner Memes mich etwa als Frau, bekam ich oft von der damals größtenteils männlichen Community negative Kommentare, als hätte ich das Meme neutral gelassen. 

Zwei Jahre später waren Memes Mainstream. Doch das ist eine lange Zeit im Internet. Zwar versuchen Seiten wie „Know Your Meme“ dem Neu-Memer auf die Sprünge zu helfen, doch man muss einfach dabei gewesen sein. Als die anderen auf den Meme-Train aufsprangen, waren die ganzen Gemobbten schon längst die Lok-Führer*innen. Choo-Choo der Normie Wagon befindet sich im hinteren Zugteil.

Plötzlich Memeology Professor*in 

Die Jugendlichen, die nun nachkommen, werden, was Memes angeht, schon irgendwie vor vollendete Tatsachen gestellt. Klar kommen auf TikTok und Co. immer neue Trends auf, aber wer von Anfang an diesen Abschnitt der “Kunstgeschichte” erlebte, hat eine ganz andere Perspektive. Es ist ein bisschen, als wäre man bei der Entstehung des Universums dabei gewesen, nur das dieses Universum aus 100 Prozent Blödsinn besteht. Dennoch kann man sagen, dass meine damalige Schulzeit-Verschwendung doch irgendwie eine Ausbildung war. Ups!

Jokes on you, 13-jährige Sarah, du machst ja doch was für deine Zukunft. Tatsächlich hätte ich heute nicht meinen Job, wenn ich damals nicht meiner Intuition gefolgt wäre. Hier ein Video von David Bowie wie er meinen CV vorliest: (Alles Einser yo)

Ohne Memes wäre ich wohl der nächste Thaddeus geworden:

 

© Sarah Habaschy

Lukas kriegt die Lacher ab…

Allerdings ist schade, dass aktuelle Plattformen weniger anonym sind. Wäre ich der unsichere Teenie von damals, würde ich mich nicht trauen, bei TikTok beispielsweise richtig mitzumachen. Früher konnte man sich entscheiden „Angle ich über meine Optik Likes auf Facebook, oder hab ich bessere Karten mit meinen Aussagen auf Twitter zu punkten?“ Heute sind diese zwei Aspekte wieder vereint und es besteht erneut die Chance, dass der tolle Joke aus deinem TikTok von einer „cooleren“ Person nachgemacht wird und plötzlich viral geht. So wie damals, als Lukas meine Punch-Line noch mal lauter gesagt hat und auf einmal alle lachten. 

Doch egal, in welcher Zeit man versucht, sich selbst zu finden, wenn man nicht aufgibt, das zu tun, wozu man sich berufen fühlt, kann es eigentlich nur gut ausgehen. Mach dein Ding. Und falls es schlecht ankommt, vergewissere dich zuerst, ob es nicht eventuell am falschen Publikum liegen könnte. In vielen Fällen ist die Welt noch nicht bereit für das, was man zu bieten hat. Und selbst wenn man seine Leidenschaft nicht genau definieren oder sogar monetarisieren kann, schuldet man niemandem eine Begründung dafür zu tun, was man liebt. Dabei hilft ein positiver Umgang mit dem Medium Internet.

Wer seinem Selbstbewusstsein etwas Gutes tun will, sucht im Internet den Wettbewerb in der Disziplin, die einem liegt. Im echten Leben kann man sich oft nicht aussuchen, an welchen Attributen man bemessen wird. Online schon. Entfolge den Accounts, die dich unglücklicher machen und passe deine Feeds dem an, was dich aufbaut und in deinen Leidenschaften bestärkt. Irgendwann kommt man drauf, dass man es auch in der Realität ein Stück weit selbst in der Hand hat, wie die Story weitergeht. Be the main character!

Über Sarah

Sarah’s Leidenschaft sind Wortspiele, Memes und surfen. Am liebsten widmet sie sich beim Schreiben den kleinen Dingen, die man leicht drehen und wenden kann, bis es interessant wird. Schreibblockaden löst Sarah durch gezieltes Unsinn machen und Bewegung, meistens an der frischen Luft mit ihrem ebenso quirligen Hund.