Warum du dich für Schulden nicht schämen musst

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Wer Schulden hat, dem muss es richtig schlecht gehen. Zumindest wurde mir das von meinen Eltern immer mitgegeben. Seitdem ich in den USA lebe, habe ich mich etwas intensiver mit dem Thema “Schulden” beschäftigen müssen – denn einen Kredit zu beziehen, ist hier die Norm. Viele meiner Kolleg*innen auf der Universität haben Zehntausende Dollar an Schulden. Und trotzdem redet man hier ungern über Finanzen und Einkommen. Es ist Tabu.

Österreich über EU-Durchschnitt

Satte 77% aller amerikanischen Haushalte haben Schulden. Der*Die durchschnittliche Amerikaner*in hat Schulden in Höhe von 58.604 Dollar. 

Während meiner Recherche zu Österreich habe ich erwartet, dass die Verschuldung bei uns besser aussehen würde – doch ich wurde schnell enttäuscht. Zahlen aus dem Jahr 2021 zeigen, dass die Bruttoverschuldung pro Kopf in Österreich im Durchschnitt bei 37.304 Euro liegt. Österreich liegt damit über dem EU-Durchschnitt. 

Dabei existieren in Österreich – im Gegensatz zu den USA  – Sozialleistungen wie etwa Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld oder Karenzgeld. Doch die Zahlen sprechen für sich selbst: Das soziale System in Österreich ist nicht perfekt.

© BAM! | Juls

Einfache Existenzsicherung und Schuldenbezug

Umfragen aus dem Jahr 2021 zeigen, dass 32,6 Prozent der Schuldenbezieher*innen “Arbeitslosigkeit und Einkommensverschlechterung“ genannt haben. 21,9 Prozent der Befragten haben angegeben, dass ihr Umgang mit Geld zum Schuldenbezug geführt hat. 

Weitere Gründe sind Scheidung, persönliche Härtefälle, Covid und Wohnraumbeschaffung. Die große Mehrheit an Österreicher*innen macht Schulden, um die eigene Existenz zu sichern, wenn das Einkommen wegfällt oder sich verschlechtert.

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Schulden machen krank

Wenn so viele Menschen in Österreich Schulden haben, wieso reden wir dann nicht offener darüber? Ist das Tabu rund um Geld und Finanzen in Österreich doch weitaus stärker, als ich ursprünglich behauptet und geglaubt habe? Und wenn ja, warum ist das so? 

Das öffentliche Gesundheitsportal Österreichs hat bei einer Umfrage herausgefunden, dass 71 Prozent aller Schuldenbezieher*innen unter Stress, 63 Prozent unter Depressionen und 60 Prozent unter Schlafproblemen leiden. Themen rund um Schulden sind so stark schambehaftet, dass viele Betroffene sich sozial isolieren.

Teuerungswelle betrifft uns nicht alle gleich

Gerade in Zeiten von Teuerung und Inflation sind viele von uns mit finanziellen Problemen konfrontiert: Wenn alle Lebenskosten (Miete, Lebensmittel, …) steigen und das Einkommen aber gleich bleibt, entstehen nun mal Geldprobleme. Das ist logisch. 

Die Zahl an Schuldenbezieher*innen wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch steigen – und so auch die Summe an Geld, die verschuldet bleibt. Doch nicht alle sind gleichermaßen betroffen von der Teuerungswelle. Die einen haben mehr Möglichkeiten, aus der Schuldenfalle herauszukommen, als andere. 

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Was tun, wenn man selbst davon betroffen ist?

Beim Thema Schulden besteht eine gewisse Doppelmoral, die uns nicht sofort auffällt: Während Schuldenbezug für Autos und Immobilien bei reichen Personen gesellschaftlich akzeptiert wird, mangelt es an Verständnis gegenüber Arbeiter*innen, die Schulden für die einfache Existenzsicherung beziehen. 

Dabei ist es nicht immer die eigene Schuld von Menschen, wenn sie Schulden beziehen müssen. Es sind externe Einflüsse, die sie in diese Not zwingen. In Österreich existieren für diesen Fall bundesweit Anlaufstellen für Betroffene

 

Schuldenbezug betrifft mehr Menschen, als wir glauben. Wenn wir darüber schweigen und nicht offen und ehrlich miteinander kommunizieren können, werden sich immer mehr Schuldenbezieher*innen aus Angst und Scham sozial isolieren. Die Enttabuisierung von Schulden ist etwas, was wir als Gesellschaft anstreben müssen. 

Ein effektives Mittel, um Schulden zu vermeiden, ist Finanzbildung. Mit „MoneyMatters“, einem Projekt der Bank Austria im Rahmen ihrer Social Impact Banking Initiative, bringen sie Finanzbildung auch in die Schulen.

Über Berfin

Berfin Marx studiert Politikwissenschaften. Auf ihrem IG-Account @berfin.marx schafft sie einen Safe Space, bei dem sie über Rassismus, intersektionalen Feminismus und Klassenbewusstsein aufklärt und andere Menschen dazu inspiriert, sich zu engagieren oder einfach nur ihren Wissenshorizont zu erweitern.