Hinter den Bergen: Weihnachten Zuhause

  • Lesedauer: 3 Minuten

Vieles ist dieses Jahr anders. Vieles war auch schon im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemie anders. Manche Dinge zu Weihnachten bleiben aber für immer gleich und warten nur darauf, wiederholt zu werden. Alle Jahre wieder! Ho ho ho!

Der süße Geruch von Orangenschalen weht durch den Raum, frisch gebackene Vanillekipferl liegen auf deinem Teller, während der Glühwein deine Gedanken lähmt. In den Tagen vor Weihnachten packt man Geschenke ein und schürt Erwartungen. Endlich wieder zusammenkommen und Zeit füreinander haben. Was sich tatsächlich jedes Jahr bei mir zu Hause und in meinem Umfeld abspielt, sieht komplett anders aus. In dieser Kolumne folgt eine nicht vollständige Aufzählung an unweihnachtlichen Weihnachtsdingen aus meiner Familie.

Das soll jetzt kein Vorwurf sein Eva, aber das muss jetzt sofort passieren! 

Beginnen wir bei meiner liebsten Familientradition. Alle Jahre wieder streiten wir darüber, wer den Christbaum schmückt und vor allem wann (!!!) das passieren soll. Bei dieser Frage geht es natürlich um deutlich mehr als die Vorbereitung für das Fest oder einen Brauch. Ich bin für das Schmücken zuständig und liebe meine Aufgabe, würde mir aber gerne selbst aussuchen, wann ich es mache.

 

© Cansu Tandogan

Meine Mutter plant, dass der Baum am 23. Dezember geschmückt wird. Da schlafen die Kinder, das Christkind war da, alles erledigt. Gerade an diesem Abend finden auch die besten Partys statt (vor Corona) oder man ist gerade noch testen (nach Corona). Auf jeden Fall kommt es alle Jahre wieder so, dass ich an diesem Abend keine Zeit habe. Dahinter steckt mehr. Nämlich: Warum kommst du nicht früher von Wien zurück? Ist dir Weihnachten etwa egal? Warum muss ich mich immer nach euch Kindern richten? Du willst das morgen Mittag machen? Da ist doch der Weihnachtsgottesdienst! 

Wie, du isst kein Fleisch? 

Welche Familie sowohl die Themen Baum als auch Glauben kaltlassen, für die kommt die erste Diskussion spätestens bei dem dritten Thema auf den Tisch. Wir wissen, nichts ist in Österreich derart wichtig wie Essen (bis auf Skifahren). Für den Weihnachtsfrieden ist es darum maßgeblich, was am 24., 25. und 26. Dezember serviert wird. 

© Cansu Tandogan

In den meisten Familien existieren strenge und festbetonierte Traditionen. Wir essen zuerst Brötchen bei der Verwandtschaft und dann Grillwürstel mit Sauerkraut zu Hause. Ja, nacheinander! Wenn nicht zu Weihnachten, wann soll man sonst zwei Mal an einem Abend essen?

An den folgenden Tagen gibt es einmal Hirsch und einmal Hase. Wehe, jemand ist Vegetarier*in oder (noch schlimmer!) Veganer*in. Oder voll! Denn diese Gerichte ändern sich nicht. Andere Klassiker in Oberösterreich sind Karpfen, Schnitzel oder Schweinsbraten. Das Muster dahinter lässt sich erahnen. 

Ist doch schön zusammen, oder?

 

Egal wie die Weihnachtstage verlaufen, irgendwann gibt es immer Knatsch, ganz einfach, weil man die Regel aller Regeln missachtet hat. Die berühmten 48 Stunden sind überschritten. Sie gilt bei mir in Oberösterreich, aber auch in allen anderen Bundesländern, soweit ich weiß. Der Name erklärt die Regel: 48 Stunden dauert es, bis alle in ihre alten Rollen geschlüpft sind.

 

© Cansu Tandogan

Nach 48 Stunden geht es also bergab. Bei besonders intensiven Familienmitgliedern gilt diese Regel nicht und verkürzt sich automatisch auf 24 Stunden. Du darfst nicht vergessen: Niemand ist mehr die schmeißenden Türen und ungefragten Ratschläge in diesem Ausmaß gewohnt. Alle haben verdrängt, wie anstrengend die jeweils anderen sind. 

Aber zurück zu Weihnachten. Wenn dann am heiligen Tag der Baum steht, die Geschenke darunter liegen, die Messe vorüber ist, die Geschenke ausgepackt sind und der Cholesterin-Wert ins Unermessliche gestiegen ist, fällt alles ab. Meistens wird man dann krank oder verzweifelt komplett oder beides.

© Cansu Tandogan

Und wann wirst du endlich heiraten? 

Zum Glück ist Verlass auf die Verwandtschaft. Vermutlich wurde das Konstrukt erschaffen, um niemals Zeit für sich zu haben. Denn wer weiß schon, was dann passieren würde. Zumindest würde der Onkel nicht vorbeischauen und fragen, ob es für dich nicht an der Zeit zum Heiraten und Kinderkriegen wäre. Und die eine Tante auf deinen Bauch greifen und fragen, ob da ein Baby drinnen ist.

 

Darum husch, schnell auf von der Couch, den obersten Knopf der Jeans schließen und zu den Tanten und Cousins fahren, um dort wieder zu essen. 

Wer sagt, dass Weihnachten besinnlich ist, lügt. Wer glaubt, an Weihnachten sich entspannen zu können, ist ein Goldfisch. Weihnachten zu Hause ist alles – nur nicht besinnlich. Ich freu mich schon so darauf. Das mein ich ganz ernst. Ho ho ho!

Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.