Hinter den Bergen: Die österreichische Wurstigkeit und ihre Eigenheiten

„Das wird schon passen!“, „Das geht sich alles locker aus!“ oder „Das schau’ ich mir jetzt dann nachher gleich einmal an!“ Sätze wie diese klingen recht optimistisch. Auch wenn man eigentlich gar nicht so sicher weiß, ob das wirklich so ist. Die Österreicher*innen halten sich an ihren Optimismus, weil: Wird schon! Was hinter dieser ganzen Wurstigkeit steckt und wieso uns manchmal doch nicht alles so wurst ist, wie wir tun, möchte ich folglich kurz erklären.

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Voller Überzeugung redet man sich viele Dinge entweder selbst oder anderen ein. Urlaub machen und weiter Miete zahlen können? Das geht sich locker aus. Den Bericht abgeben, ohne ihn noch mal gegenzulesen? Das wir schon passen. Ein Freund will die nächsten Monate auf der Couch schlafen? Fix, das machen wir schon. Also irgendwie. Also eigentlich glaub ich ja eher nicht, so ganz ehrlich, aber das gestehe ich mir und dir sicher noch nicht ein. Weil vielleicht wird’s ja doch.

 

Also nur weil das Backpulver fehlt… 

Ich kenne das Gefühl selbst nur zu gut. Beispielsweise wenn ich etwas koche und wichtige Zutaten fehlen. Ich ignoriere diese Tatsache meist und probiere es trotzdem. Wird sich schon ausgehen! Am Ende bin ich ernsthaft enttäuscht, wenn dem nicht so ist (was meistens passiert). Genauso bei Dokumenten. Da fehlt einem dieses und jenes Formular und man lädt es trotzdem hoch. Ah, das passt schon! Absenden, Ciao. Meistens passt es dann eben doch nicht. So wie es einem das Gefühl auch voraus sagte. Und trotzdem schafft man es, sich jedes Mal wieder selbst zu belügen und zu beschwichtigen. 

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Jo mei … 

Hand in Hand geht dieser Optimismus mit der österreichischen Wurschtigkeit. Nach dieser darf man sowieso alles nicht so eng sehen, weil sonst ist das Leben ja wirklich unerträglich hart. Was uns wiederum zur österreichischen Gemütlichkeit führt. Denn wem mehr wurscht ist, der kann sich besser entspannen. Und es ist es viel einfacher, sich etwas einzureden, als sich ständig mit der Realität zu konfrontieren. Genau darum rede auch ich mir alles Mögliche ein. 

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Ja glei, also niemals! 

Darum ist der österreichische Optimismus auch mit Vorsicht zu genießen. Nur weil irgendjemand sagt, dass das schon so geht, bedeutet das noch lange nicht, dass es wirklich so sein wird. Weil Österreich ja sowieso immer mit Deutschland verglichen wird, mache ich das hier jetzt auch mal. In Deutschland zum Beispiel ist ein Ja ein Ja. Und ein Nein eben auch ein Nein. Also zu 99 Prozent eben. So sicher, wie man sich eben sein kann. 

In Österreich beschreibt man die Zuverlässigkeit am besten als sehr situationselastisch. Genauso wenn jemand verspricht, sich um etwas zu kümmern und dabei sagt: “Ja, glei!”. Dann ist österreichischer Pessimismus angesagt. Spoiler: Es wird wahrscheinlich nie passieren, oder nur mit großer Verspätung. 

Was würde sich also ändern, wenn man ehrlich wäre, anstatt sich einzureden, dass eh alles so passt? 

Man würde draufkommen, dass das Leben sehr anstrengend ist. Dass es einem gar nicht passt, dass jemand auf der Couch schläft. Dass man zu faul war, um den Bericht gegenzulesen. Das alles klingt ganz schön negativ und schwierig. Und zieht ziemlich sicher Konsequenzen, und vielleicht noch schlimmer, Konflikte mit sich. Darum bleibt man lieber bei: Ageh, passt schon! 

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Wird schon! 

Außerdem tut es einfach wahnsinnig gut, alles nicht ganz so eng zu sehen. Die Wurstigkeit funktioniert wunderbar als Balsam auf der Seele. Darum ist die österreichische Wurschtigkeit viel mehr als Mentalität, sie stellt manchmal auch eine Überlebensstrategie dar. Man kann sich jeden Tag Sorgen über die Miete machen und was wohl die Chefin von einem hält. Oder man kann sich für den österreichischen Weg entscheiden und sich sagen, dass sich alles schon irgendwie ausgehen wird. Und jo mei, falls wirklich nicht, findet man später auch noch eine Lösung dafür.

Und manchmal wird der Kuchen auch ganz ohne Backpulver was. Und man sagt sich danach, zum Glück hab ich’s probiert!

 

Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.