Hinter den Bergen: Wie Österreich jetzt im Herbst zu Ö-merika wird

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Thanksgiving, Halloween und Black Friday – all diese US-amerikanischen Traditionen sind längst auch in Österreich angekommen. Warum das so ist, erkunde ich in dieser Kolumne.

Im Herbst stehen in so einigen Coffeeshops Pumpkin Spice Lattes auf der Karte. Ja selbst in der Kaffehausstadt Wien ist das mittlerweile so. Pumpkin Spice im Wiener Melange. Geh bitte, geht’s noch?

Doch nicht nur der nach Kürbisgewürz (was ist das überhaupt?) schmeckende Kaffee ist omnipräsent, auch einige andere amerikanische Traditionen werden seit einiger Zeit jährlich im Herbst in Österreich zelebriert. So etwas wie Halloween und Thanksgiving gab es früher nämlich nicht. Wenn ich das sage, fühle ich mich gleich um 40 Jahre älter und noch viel weißer. Dabei will ich nicht herumschimpfen. Mich interessiert eher die Frage, was reizt die Österreicher*innen an diesen Bräuchen und Traditionen?

© BAM! | Maria Gladitsch

Einmal bitte einen zweiten Fasching!

Beginnen wir mit Halloween. Die Rede ist also von Kürbisschnitzen, verkleiden und Trick-or-treating. Nach einer Umfrage von Marktagent feierten 2019 rund zwei Millionen Österreicher*innen Halloween. 33 Prozent gaben an, ihr Haus zu dekorieren, 30 Prozent besuchten eine private Party, 26 feierten in einem Lokal und 70 Prozent der Kinder und 22 Prozent der Erwachsenen verkleideten sich. 

Schon als Kind wollte ich mich unbedingt verkleiden und von Haus zu Haus gehen. Selbst bei uns zuhause in der Pampa in Oberösterreich war das zum Brauch geworden. Generell war das am Land damals aber noch recht neu. Manche Nachbar*innen hatten nicht mal etwas Süßes zu Hause, weil sie den Brauch noch nicht kannten. Wir verkleideten uns aber jedes Jahr und zogen durch die Nachbarschaft. Danach sahen wir uns einen Film an, der uns auch gleich noch in den kommenden Nächten wach hielt. Halloween war für uns einfach ein zweiter Fasching mit mehr Süßigkeiten, darum ein Hit und machte sehr viel Spaß. 

© Beth Teutschmann | Unsplash

Heute scheint die Nacht vor dem 1. November noch wichtiger als damals. Meine Nichte will nirgends mehr die Herbstferien verbringen, weil sie an diesem Abend mit ihren Freund*innen von Haus zu Haus gehen will. Auch die Statistik gibt ihr recht: Jede zweite Person in Wien hält Halloween längst für ein traditionelles Fest, das zu Österreich gehört. Viele wissen nicht, dass der Brauch ursprünglich aus dem katholischen Irland kommt und durch Einwander*innen in die USA gebracht wurde.

Der irischen Mythologie zufolge kommen am Ende des Sommers die Verstorbenen in der Nacht nämlich aus dem Totenreich zurück und ziehen mit Dämonen durch die Straßen. Geschnitzte Kürbisse sollen seit jeher die Wesen besänftigen und die Masken und Verkleidungen sie erschrecken.

Der Tag nach Halloween, also der 1. November, ist ein österreichischer Feiertag, an dem den Toten gedacht wird. Dieser Tag ist vielerorts sehr wichtig, da man zusammen in die Kirche oder auf den Friedhof geht und die Verwandtschaft trifft. Dabei gibts Kuchen und Kaffee und des Öfteren ganz schön trübe Stimmung. Denn man gedenkt ja schließlich den Toten! Am Ende hängen diese Bräuche also sogar zusammen, nur, dass Halloween irgendwie einfach mehr Spaß macht und deshalb wahrscheinlich so gut ankommt. 

© Bee Felten Leidel | Unsplash

Thanksgiving oder Erntedank? 

Mit Halloween allein ist es noch nicht getan. Manche Österreicher*innen feiern im November auch Thanksgiving – immer am vierten Donnerstag im November. Ja, sogar einige Wiener Lokale rufen seit Jahren zum Thanksgiving Dinner auf. Das US-amerikanische Erntedankfest unterscheidet sich stark von dem, was bei uns gefeiert wird. Denn wenn sich die amerikanischen Familien am wichtigsten Feiertag des Jahres treffen, dann danken sie damit auch ihren „Pilgervätern“, beziehungsweise Kolonisatoren. Das Erntedankfest wird in den letzten Jahren immer öfters kritisiert, da die „Pilgerväter“ das Land gestohlen, und nicht entdeckt haben sollten.

© Gabriel Garcia Marengo | Unsplash

In den USA sitzen Millionen Amerikaner*innen mit ihren Familien an Tischen, mit Truthahn und Süßkartoffel-Püree, und schauen gemeinsam American Football im Fernsehen. 

Das österreichische Erntedankfest dreht sich hingegen um Gott und die Landwirtschaft (richtig österreichisch halt) und wird meistens im September oder Oktober gefeiert. Dabei wird eine aus Getreide und Weinreben geflochtene Krone bei der Prozession durch den Ort getragen. Beim folgenden Gottesdienst dankt man dann Gott für die Ernte. Da immer mehr Menschen aber aus der katholischen Kirche austreten oder sich damit nicht mehr identifizieren, verliert das Fest an Bedeutung. Höchstens am Land, wo Gott und die Landwirtschaft ihren Stellenwert noch halten, gibt es die Feierlichkeiten zu sehen.

Kaufet, oh kaufet!

Am Tag nach Thanksgiving ist übrigens immer der Black Friday – eine Art Verkaufsveranstaltung, die durch spezielle Rabatte den Konsum anregen soll. Damit beginnt offiziell die Weihnachtssaison und viele Rabatte fallen statt Schnee vom Himmel. Ein bisschen ist dieser Tag ja wie der erste Einkaufssamstag im Advent, nur eben mit mehr Rabatten. Und wieder ohne Gott. Spätestens durch das Internet ist dieser Tag längst auf der ganzen Welt angekommen. Aber auch viele Geschäfte auf den österreichischen Einkaufsstraßen werben damit. Der Tag existierte in der Vergangenheit in Österreich gar nicht, wurde aber von Geschäften mit Freude aufgenommen. Warum bloß?

© Claudio Schwarz Purzlbaum | Unsplash

Warum diese Traditionen längst dazu gehören 

US-amerikanische Traditionen sind also längst in Österreich angekommen, ganz einfach, weil wir in einer vernetzten, globalen und kapitalistischen Welt leben. Durch US-amerikanische Serien, Filme, Fernsehen und das Internet kommen uns die Traditionen und Bräuche heute viel näher und alltäglicher vor. Das kann man nun gut finden oder nicht, aber überraschen sollte es die wenigsten. Und ja, vielleicht feiert man in den USA ja auch bald vermehrt Oktoberfest, Fasching, Nikolaus, Kirtag, Zeltfest oder das Christkind. Einfach weil andere Traditionen immer ein bisschen interessanter sind als die eigenen. 

Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.