Schallplatten: Mein Dilemma mit meiner teuersten Liebesgeschichte der Welt

  • Lesedauer: 2,5 Minuten

Es gibt Personen, die geben ihr Geld für Markenklamotten, In-Game Käufe, Twitch Prime Subs oder Pokémon Karten aus. Ein nicht namentlich genannt werden wollender Teil meines Haushalts wiederum gibt sehr viel Geld für Schallplatten aus. Mit sehr viel meine ich, dass es bald soweit ist, die Haushaltsversicherungsprämie anpassen zu müssen, sollten doch mal Einbrecher*innen vorbeischauen, die zufällig über gute Vinyl-Kenntnisse verfügen und alles mitnehmen. Warum überhaupt so einer teuren Liebe nachfrönen, wenns doch leichter auch geht? 

Es ist Samstag. Zeitung lesend auf der Couch sitzend wird der freie Tag genossen. Ich bin gerade in eine Zeitung (*hust* Social Media *hust*) vertieft. All eyes on it quasi. Auch die namenlose Person scheint zutiefst beschäftigt zu sein. Multitaskend lauschen wir kollektiv den Klängen einer neuen Errungenschaft. Auf Platte natürlich, ist ja Teil des Millennial-Haushalt-Starterpakets. Irgendeine Erstpressung aus dem Jahre X von einem total unbekannten Künstler, von dem ich bis vorgestern auch noch nicht mal die leiseste Ahnung hab. Ein absolutes Must-Have natürlich.

Da sitzen wir jetzt und lassen Revue passieren, wie wir überhaupt zu dem Punkt gelangt sind.

© BAM! | Marietta Dang

Warum überhaupt Schallplatten?

  • Man lerne die Musik richtig wertzuschätzen, wenn man Platten hört.
  • Man wähle bewusst Artists aus und lasse nicht den Algorithmus für einen Entscheidungen treffen
  • Der Klang sei ja KOMPLETT anders als bei einer digitalen Version. So viel besser.
  • Es entschleunige so schön, heiße es immer. Man nimmt die Zeit ganz anders wahr.
  • Man müsse sich ja immer bewusst für eine Platte entscheiden, diese aus der Hülle nehmen, vorsichtig in den Plattenspieler legen, eventuell von Staub befreien und dann vorsichtig die Nadel darauf platzieren.
  • Die Platten seien außerdem so viel wert auf längere Sicht! (Ja, ein*e Einbrecher*in mit Know-How würd sich freuen!)
  • Man könne endlich mit den cool Kids (mit denen man eigentlich eh nix mehr zu tun hat) mitreden
  • Schon alleine der Nostalgie wegen.
  • Man könne außerdem so richtig oldschool in Plattenläden gehen und sich stundenlang durch Vinyls wühlen und secondhand Cooles abstauben (was dann vielleicht auch mit dem ein oder anderen Kratzer kommt. Hello neue Soundeffects!)

Die Liste scheint endlos weitergehen zu können.

Dann passierte es. Das Ende der Platte wird erreicht und der charakteristische Ton des Nadel-auf-der-sich-weiter-drehenden-Platte erfüllt den Raum. Was jetzt?

Die einen würden wohl einfach die Zeitung zur Seite legen, den Raum durchqueren, die Nadel hochheben, Plattenspieler aus, Platte vorsichtig nehmen und umdrehen und alles im Rückwärtsgang wiederholen. Macht man ja so. Man will ja schließlich auch die andere Seite der Vinyl hören und für die Platte selbst wärs ja auch schlecht, wenns einfach so weiterlaufen würde. Wird das gemacht?

You guessed it right: Natürlich bewege ich mich keinen Zentimeter. Bequemlichkeit und eine langsam entwickelte Abgestumpftheit gegenüber dem Geräusch lassen mich in Ruhe weiterlesen. Ganz so, als wär nichts passiert. Die Person ohne Namen ist währenddessen eingeschlafen.

© BAM! | Marietta Dang

Gut, dass ich immer meine überteuerten und auch gar nicht mehr so gut funktionierenden kabellosen, batteriebetriebenen Kopfhörer griffbereit liegen hab. Genau für solche Fälle, damit ich mir schnell den zweiten Teil eben jener Platte einfach auf Spotify reinziehen kann und die Platte sich munter drehend weiterbewegt, als könnte es den ganzen Tag so gehen. Ein Perpetuum mobile quasi.

I know, I know, das klingt jetzt, als würde ich im Inbegriff des Millenialtums leben. Ist vermutlich auch so. So manche Platten-Afficionados würden mich vielleicht dafür verurteilen, aber it is what it is. Und das wird bestimmt nicht das letzte Mal sein, und es werden weiterhin munter Schallplatten gekauft, weils ja doch irgendwie schön ist.