Sprachgewitter: verliebt, verloren, verwachsen

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Glücklich verliebt zu sein, gehört zu den wohl schönsten Dingen, die man sich ausmalen kann, nicht wahr? Das berühmte Kribbeln im Bauch, die Nervosität, jedes mal wenn man sich wieder trifft, jede Berührung auf der Haut des anderen und der Geruch, der in den Bettlaken hängen bleibt und sich auch dann noch hält, wenn man wieder alleine ist – das stellt für viele das Non-Plus-Ultra dar, das Ziel. Zweisamkeit ist aber nicht bloß kuschelig und wohlwollend, sie verkauft sich auch gut. Ich wehre mich dagegen, Glück und Liebe in einem Atemzug zu nennen . Mehr denn je ist die Zeit gekommen, selbstbestimmt und ohne falsche Vorstellungen von Romantik ein erfülltes Leben alleine zu führen. Darum geht es hier jedoch erst einmal nicht.

Viel eher beschäftigt mich die Frage, wie man bei sich bleibt, wenn man sich am liebsten in den anderen hineinlegen möchte? Wie behält man seinen eigenen Raum, wo doch alles in einem danach schreit „gemeinsam“ auf jeden Augenblick zu heften?

© Jaqueline Scheiber

Seit kurzem bin ich verliebt. Ich habe nach einer langen Periode an guten und verzichtbaren Erfahrungen einen Partner gefunden, der alles in sich vereint, das ich mir gewünscht habe und darüber hinaus dasselbe von mir behauptet. Anders als bei meinen bisherigen  Dating-Erfahrungen, gehen wir bewusst mit unserer Beziehung um. Wir sprechen nicht nur über unsere Lieblingsfilme und zelebrieren den Kitsch an jeder Ecke; wir sitzen auch am Küchentisch und verhandeln, wie wir unseren gemeinsamen Rahmen abstecken können, ohne, dass eine*r auf der Strecke bleibt.

© Jaqueline Scheiber

Ich stelle mir dann gerne vor, dass jede Person ein Haus symbolisiert. Im Laufe unseres Lebens sammeln wir Gegenstände, Erinnerungen, wir richten uns ein und erweitern die Räume. Manchmal müssen wir Wände neu streichen, die Möbel anders anordnen. Es ist wichtig, regelmäßig zu lüften und auch einmal aus dem Haus zu gehen, um neue Erfahrungen mitzubringen. Unsere Zimmer haben verschiedene Bedeutungen, manche bekommen nur sehr Wenige zu sehen und andere Orte in unserem Heim sind nur für uns allein bestimmt. Gehen wir eine Partnerschaft ein, richten wir ein neues Zimmer ein, eine Verbindung. Da ist plötzlich ein gemeinsamer Raum, den beide betreten können. Manchmal gleichzeitig, manchmal unabhängig voneinander. Er füllt sich mit den geteilten Erlebnissen, mit den gesammelten Worten, den kleinen Gesten. Genauso, wie es wichtig ist, die eigenen Räume manchmal zu sortieren, ist es ebenso notwendig nicht das gesamte Haus zu dem gemeinsamen Raum umzugestalten. 

Was ich mit dieser Metapher sagen möchte, ist, dass man sich nach einer Trennung nicht selbst verlieren soll: in einer Beziehung zu sein, bedeutet nicht Teile von sich herzugeben. Ein*e Partner*in sollte nicht das Haus belegen, sondern erweitern. 

© Jaqueline Scheiber

Mein Freund sitzt mir gegenüber, er sieht mich mit diesem vollen Blick an, bei dem mir schwindelig wird und ab und an bringt er mich auch ins Wanken. Trotzdem setzen wir Grenzen  und stecken Zeit ab, die für Freundschaften und Projekte reserviert bleibt. Wir sind beide sehr geschäftig, genießen die geteilte Zeit dadurch umso mehr. Denn für die glückliche Liebe haben wir ebenso wenig Garantie wie für alles andere im Leben. Und sollte es nicht klappen, muss etwas übrig bleiben. Von mir, meinem Haus und den Bildern, die ich in mir einordne, um weiter zu wachsen. 

© Jaqueline Scheiber

Über Jaqueline

Als Sozialarbeiterin und Feministin eher an Problemlösungen interessiert, wirft sie in ihren Texten und Kolumnen meist Fragen zu Identitätsfindung, Körperbewusstsein, und einer Bandbreite an tiefen Emotionen auf. Neben Sprachgewitter teilt sie die alltägliche Ästhetik ihrer Wahrnehmung auf ihrem Instagramaccount minusgold.