Sprachgewitter: Wenn die Nachtruhe zum Albtraum wird

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Gesunder Schlaf ist die Grundlage für ein gutes Wohlbefinden. Er ist die Basis für unser tägliches Tun und Sein. Wer gut schläft, kann produktiv sein, Unternehmungen machen und am Alltag teilhaben. Wer morgens ausgeruht in den Tag startet, kann klar Denken und Vorhaben in Angriff nehmen. Man könnte sagen: Schlaf ist die Eintrittskarte in ein ausgeglichenes Leben. Und gleichzeitig ist es auch meist das erste Warnlämpchen, das angeht, sobald etwas in uns aus den Fugen gerät.

Ich habe mich mit dem Thema Schlaf schon viele Jahre auseinandergesetzt. Die ersten Anzeichen für Schlafstörungen entwickelte ich schon im frühen Volksschulalter. Damals wachte ich oft nachts gebeutelt von Albträumen auf. Später, im Jugendalter, konnte ich mich untertags kaum wachhalten und verschlief ganze Nachmittage nach der Schule. 

© Karolina Kolacz

Die Ursache dafür war meine Depression. Auch die Abwesenheit von Schlaf kenne ich gut. In beiden Extremen erkenne ich mich. Es gab Phasen, da habe ich jeden Tag im besten Fall zwei bis drei Stunden Schlaf gefunden. Man könnte behaupten, ich habe etliche Facetten und Variationen eines abweichenden Schlafverhaltens durch. All diese Abweichungen musste ich letztendlich ärztlich oder psychiatrisch behandeln lassen, bis sich eine Besserung einstellte.

Denn eines weiß ich mittlerweile auch recht gut: Lange kann man mit schlechtem Schlaf nicht verhandeln. Schlafstörungen gehen sprichwörtlich an die Substanz und verwehren eine*m zunehmend die Teilhabe am täglichen Leben.  

© Jaqueline Scheiber

Schlafstörungen sind ein weit verbreitetes Problem. Laut einer Studie der MedUni Wien aus dem Jahr 2018 kennen etwa 30% der Befragten das Problem nicht ein- oder durchschlafen zu können. Schlafstörungen können viele Ursachen haben. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass eine leichte Schlafstörung im Laufe eines Lebens bei jede*m auftreten kann und das auch nicht weiter beunruhigen sollte. 

Die Angst vor dem Bett

Unser Bett ist der Ort, an dem wir zur Ruhe kommen sollten. Doch gerade für Menschen, die mit Insomnie konfrontiert sind, wird er häufig zu einem angstbesetzten Ort. Das Bett wird zum Schauplatz der Kämpfe, die man Nacht für Nacht ausübt. Langes hin und her wälzen, Positionen wechseln, die Augen zukneifen und hoffen, dass es passiert, bis die Resignation folgt. 

Bis vor einigen Monaten hatte ich ein gutes Gleichgewicht meiner Schlafqualität wiedergefunden. Ich ging nicht zu spät zu Bett und wachte meistens ausgeruht auf. Durch die vorherrschende Pandemie blieben für mich Partys, bei denen Alkohol konsumiert wird oder ich eine Nacht durchtanzte, aus. 

© Jacqueline Kranjcevic

Keine Störfaktoren, die einen gesunden Rhythmus mal aus dem Gleichgewicht stoßen. Eine gute Konstante hatte sich etabliert. Im November 2020 allerdings erlebte Wien, mein Zuhause, einen Schock. Ein Terroranschlag wurde auf die Bewohner*innen dieser Stadt verübt und eine ganze Nacht schlug mir der Puls bis in die Schläfen. Ich blieb bis in die Morgenstunden wach und verfolgte die Sondersendungen und die Berichterstattung. 

© JP Valery

Eine Nacht, die mir auch Tage später noch in den Knochen saß. Wenige Wochen darauf wurde ich nachts aus dem Schlaf gerissen, als eine verwirrte oder beeinträchtigte Person versuchte, in mein Wohnhaus zu gelangen. Zwei Ereignisse, die in erster Linie nichts miteinander zu tun hatten, wirkten sich folgenschwer auf mein Schlafverhalten aus. Ich fühlte mich Zuhause nicht mehr sicher und ein neues Kapitel der abendlichen Einschlafkämpfe begann. 

Die deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin empfiehlt, wenn man über einen längeren Zeitraum Schwierigkeiten dabei hat einzuschlafen (länger als 20 Minuten) oder nachts häufig aufwacht, ist es Zeit, eine*n Mediziner*in aufzusuchen. Liegt keine körperliche Ursache vor, sind die häufigsten Gründe für Schlafstörungen Stress, einschneidende Erlebnisse oder psychische Erkrankungen. Auch Substanzgebrauch sowie -missbrauch (Alkohol, Nikotin, illegale Substanzen und Medikamenteneinnahme) beeinflussen unsere Schlafqualität. 

Sich zu nichts zwingen

Durch die Behandlung meiner Insomnie und etliche Therapien habe ich mittlerweile ein breites Spektrum an kleinen Mechanismen angehäuft, die mir zeitweise helfen, wieder in einen gesunden Schlaf zu finden. 

Zum Beispiel höre ich zum Einschlafen Hörspiele oder Hörbücher. Das nimmt den Fokus von den kreisenden Gedanken und hat mir schon oft dazu verholfen, abzuschalten. Bevor ich ein rezeptpflichtiges Schlafmedikament einnehme, probiere ich auch gerne pflanzliche Alternativen. In der Apotheke gibt es Tropfen, die aus der Passionsblume gewonnen werden und die zu einer spürbaren Beruhigung beitragen. 

© Jon Tyson

Auch bei sich anbahnenden Panikattacken habe ich das schon eingesetzt. Lavendel- oder Zirbengeruch am Polster, das regelmäßige Wechseln der Bettwäsche oder das Durchlüften des Schlafzimmers vor dem Zu-Bett-Gehen können hilfreiche Rituale sein, die zur Schlafhygiene beitragen. 

Auch die Nutzung von Smartphones hat einen Einfluss, wie gut wir uns in die Nachtruhe verabschieden können. Stattdessen empfiehlt es sich ein paar Seiten in einem Buch zu lesen.

Und wenn alles nichts hilft, habe ich einen wertvollen Tipp für mich mitgenommen: sich nicht dazu zwingen, liegen zu bleiben.

Wenn man bemerkt, dass das mit dem Schlafen nicht klappt, einfach mal aufstehen und Dinge tun, die man sonst auch tun würde. Dann kommt die Müdigkeit manchmal von selbst und der Druck fällt ab. 

© Kym Mackinnon

So sitze ich schon mal um drei Uhr morgens und arbeite an einem Projekt weiter, oder vertiefe mich in Dokumentationen auf YouTube. Manchmal falte ich meine Wäsche oder ich widme mich der Pflanzenpflege. Ich bin nachsichtiger geworden, mit mir und mit dem Begriff der Nachtruhe. Denn wenn die Entspannung des Schlafes nicht verfügbar ist, dann muss ich sie eben in einem alternativen Setting herstellen. Mit einer Tasse Tee genieße ich den luftleeren Raum, zu einer Zeit, in der die Stadt sanft in ihren Träumen pulsiert und ich weiß, ich darf schon bald wieder teilhaben, an meinen ganz eigenen Erlebnisreisen des Unbewussten. 

Abschließend gilt: unsere Schlafqualität wird von unfassbar vielen Faktoren beeinflusst und ist gleichzeitig ungeheuer bedeutsam für unser tägliches Leben. Schlaf hat ebenso viele Formen und Ausprägungen, doch am Ende des Tages ist es wichtig, dass wir eine Pause von all dem Erlebten bekommen, um es zu verarbeiten und Energie zu tanken.

Über Jaqueline

Als Sozialarbeiterin und Feministin eher an Problemlösungen interessiert, wirft sie in ihren Texten und Kolumnen meist Fragen zu Identitätsfindung, Körperbewusstsein, und einer Bandbreite an tiefen Emotionen auf. Neben Sprachgewitter teilt sie die alltägliche Ästhetik ihrer Wahrnehmung auf ihrem Instagramaccount minusgold.