Sprachgewitter: Wenn Freundschaften enden

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Ich leide an Herzschmerz. Es gibt bestimmte Lieder, die ich nicht mehr hören kann und Bilder, die von einem bitteren Beigeschmack überschattet sind. Ich meide gewisse Ecken in der Stadt, die mich mit der Tatsache konfrontieren könnten, dass ein Mensch nicht mehr Teil meines Lebens ist. Wenn ich Neuigkeiten erfahre, habe ich immer noch den Drang zum Telefon zu greifen und es der Person mitzuteilen, einfach mal eben anrufen und den Tag bequatschen. All das ist nicht mehr möglich, denn ich habe eine Trennung hinter mir. 

Nicht mein Partner hat sich von mir getrennt, sondern eine gute Freundin. Obwohl Freundschaften in ihrer Natur nicht unbedingt einer Liebesbeziehung gleichen, hat die Trennung einen ähnlichen Charakter. Sie hinterlässt eine Lücke, die man nicht füllen kann, eine Kerbe in der eigenen Persönlichkeit. Sie überschattet gemeinsame Erlebnisse und versetzt einen Stich ins Herz. 

© Bianca Maria Braunshofer

Ich habe in meinem Leben viele Trennungen miterlebt. Manche davon waren temporär, andere final. Ich habe mich gut und manchmal grauenhaft von Menschen verabschiedet, habe mich aus anderen Leben geschlichen und wurde aber ebenso von anderen vor vollendete Tatsachen gestellt. Abschiede sind etwas Natürliches, denn Abschiede brauchen wir, um uns weiterzuentwickeln. Überraschenderweise rechnen wir bei all den Abschieden aber selten mit dem wohl häufigsten Abschied, nämlich dem Abschied von uns selbst. Eine enge zwischenmenschliche Beziehung ist immer ein Teil einer Gewohnheit und unsere Gewohnheiten sind Teil von uns selbst. Ich habe nicht nur eine Freundin verloren, ich habe auch den Teil von mir verloren, der ich mit dieser Freundin war.

© Jaqueline Scheiber

Bei jeder Trennung lässt man also ein Stück von sich zurück. Liebeskummer ist ein geläufiger Begriff, er schafft Raum und Verständnis, um das Ende einer Beziehung zu verarbeiten. Man wird von seinem Umfeld getröstet, findet Rituale und hat eine bestimmte Schonungsphase zur Verarbeitung zur Verfügung. Das Ende von Freundschaften, so erlebe ich das in meiner bisherigen Wahrnehmung, wird hingegen oft nur still hingenommen. Wir verschweigen den Schmerz, der uns betrifft. Es gibt viele Gründe, die eine Freundschaft enden lassen. Manchmal hat man sich auseinander gelebt, es kam zu einem Konflikt, den man nicht lösen konnte und manchmal weiß man gar nicht so genau, was eigentlich zur Trennung geführt hat. 

Ich scrolle durch unsere digitalen Erinnerungen. Plötzlich sind all die schönen Momente gefärbt von einer Nuance Schmerz. Ich kann nicht unbeschwert darauf zurück blicken, weil die Person in der Gegenwart fehlt. Zu viel ist ungesagt geblieben in einer Freundschaft, die einen regen und ehrlichen Austausch nie scheute. Stundenlang hingen wir früher am Telefon, besprachen den letzten Abend oder ein Treffen nach. Der Gästepyjama inklusive Zahnbürste lag bei ihr bereit, wann immer ich in Not war. 

© Bianca Maria Braunshofer

Heute verfolgen wir unsere digitalen Spuren nur peripher. Ein Blick auf den Social Media Feed, ein Abnicken der aktuellen Stories auf Instagram. Wir sind stille Zeugen davon, dass wir uns einmal nah waren. Wie jeder Abschied wird auch dieser irgendwann an Entzündung verlieren. Der Schmerz wird sich lindern und ich werde mit gewonnener emotionaler Distanz zurückblicken können: auf einen Weg, den man für eine gewisse Strecke teilte. Ein Abschnitt, der in zwei verschiedene Abzweigungen mündete. Habe ich etwas gelernt? In der Tat: not only love can break your heart. 

© Jaqueline Scheiber

Daraus gewonnen habe ich einen weiteren Schritt auf einem Weg mich selbst zu erkennen. Ich habe gelernt die Menschen um mich herum noch ein Stück mehr zu schätzen und jeden Tag der Freundschaft zu feiern. Wege trennen sich, manchmal findet man keinen Zugang mehr zueinander, doch die gemeinsame Zeit möchte ich hochleben lassen. Freundschaften sind Wegbegleiter und wenn Abschnitte enden, lernt man manchmal nach einiger Zeit zu verzeihen, die Verbitterung gehen zu lassen und Dankbarkeit für die gemeinsamen Erlebnisse zu verspüren. Im ersten Moment scheint das Ende einer Beziehung das Gefühl, das bleibt, zu bestimmen. Doch was schwerer wiegt als ein Ende, ist die Summe aller Späße, Zuwendungen und Aufmerksamkeiten. 

Über Jaqueline

Als Sozialarbeiterin und Feministin eher an Problemlösungen interessiert, wirft sie in ihren Texten und Kolumnen meist Fragen zu Identitätsfindung, Körperbewusstsein, und einer Bandbreite an tiefen Emotionen auf. Neben Sprachgewitter teilt sie die alltägliche Ästhetik ihrer Wahrnehmung auf ihrem Instagramaccount minusgold.