Zufriedener Blick zurück in die Zukunft – Eine optimistische Story von Schriftsteller Lukas Pellmann

  • Lesedauer: 3 Minuten

Ganz schön langweilig. Einen Text darüber schreiben, wie die Gegenwart ausschaut, quasi in die Rolle eines Chronisten schlüpfen und festhalten, was gerade in Österreich passiert.

Dabei wollte Roland doch eigentlich mit seinem Freund in Australien eine Runde GTA 12 spielen. Und warum ausgerechnet er diesen Auftrag bekommen hat, das kann er auch nicht ganz nachvollziehen. Immerhin gibt es dank künstlicher Intelligenz genug Schreibprogramme, die solche einfachen Textaufgaben im Handumdrehen lösen könnten.

Da hätte es gereicht, im Anschluss nochmal schnell über den Text drüberzuschauen, die üblichen Fehler der KI auszubessern und dann ab damit zur Chefredakteurin. Aber tja.

Also gut, denkt sich Roland, nimmt einen Schluck von seinem Kaffee, setzt sich im Homeoffice an den Esstisch und klappt den Laptop auf. Dann mal los. Es ist der 15. November 2031 – was tut sich denn gerade so in Österreich?

© BAM! | Marietta Dang

Die Bundeskanzlerin ist soeben von der COP 36, der UN-Klimakonferenz in Budapest zurückgekehrt. Auf Initiative Österreichs haben sich alle Länder zu weiteren Maßnahmen im Sinne des Klimaschutzes geeinigt. Was für ein Erfolg auf internationalem Parkett!

Dazu passend wurde heute die Demontage der Adria-Wien-Pipeline abgeschlossen. Rohöl wird in Österreich nicht mehr benötigt. Dank Recycling, Umstieg auf nachwachsende Materialien sowie dem Einsatz leistungsstarker erneuerbarer Energien ist Österreich bei Verkehr, Industrie und Produktion nicht mehr auf den Einsatz des klimaschädlichen Rohstoffes angewiesen.

Roland wirft einen Blick aus dem Fenster. Er unterbricht die gerade erst begonnene Arbeit an dem Text, öffnet die Balkontür und begutachtet den Zustand seiner Mikrostadtfarm. Dank des ausgeklügelten Bepflanzungssystems ranken sich auch Mitte November noch Tomaten und andere Gemüse- und Obstpflanzen an Fassaden, Wänden und Decken entlang. Eine Ernte sollte sich heuer noch ausgehen. Infolge der üppigen Ernten ist Roland in der Lage, die Hälfte seines Gemüsekonsums durch den eigenen Anbau abzudecken. Was für eine Flächenverschwendung es doch früher war, Hausfassaden einfach nur anzustreichen und sich selbst zu überlassen.

Aber zurück an den Text. Beim österreichischen Zukunftskongress, der in der Vorwoche in der Eventarena St. Marx stattgefunden hat, haben Vertreter*innen von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wieder mal Zwischenbilanz über die Entwicklung des Landes gezogen. Thema des Kongresses war der Umbau des Arbeitsmarktservice hin zu einer niederschwelligen und kostenlosen Weiterbildungsagentur für die gesamte Bevölkerung, da es die klassischen AMS-Services aufgrund der Erreichung der Vollbeschäftigung nicht mehr braucht. 

© BAM! | Marietta Dang

Die Einführung der Vier-Tage-Woche sowie eines bedingungslosen Grundeinkommens haben, schneller als erwartet, nicht nur die Arbeitslosenraten sinken lassen, sondern auch zu einem Aufblühen der Kreativwirtschaft geführt. Der Aufbau seines kleinen Ateliers für virtuelle Musikkassettenkunst wäre für Roland nicht möglich gewesen, wenn er nicht die zwischenzeitliche Absicherung durch das Grundeinkommen gehabt hätte. Nun verdient er mit seinem Job bei der Zeitung sowie seinem künstlerischen Schaffen mehr als früher mit einem Fulltimejob.

Weiteres Thema auf dem Zukunftskongress: Die Investitionen in die Bereiche Kinderbetreuung sowie in die Pflege beginnen sich ebenfalls auszuzahlen. Mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen sowie die höheren Gehälter haben die Jobs in diesen beiden Bereichen derart attraktiv gemacht, dass die Branchenvertreter*innen sich erstmals zufrieden mit der Entwicklung zeigten. Sein Freund Bryan schwärmt geradezu von den Möglichkeiten, die sich ihm durch das Elementarpädagogikstudium eröffnet haben.

Der Kaffee ist leer und ein bisschen Bewegung kann nie schaden. Roland erhebt sich von seinem Sessel und marschiert in die Küche. Er füllt Kaffeepulver in seine Bialetti. Während er darauf wartet, dass der heiße Wasserdampf das braune Pulver in heißen Kaffee verwandelt, dessen Duft sich in der ganzen Küche ausbreitet, denkt er darüber nach, wie die Menschen der Zukunft wohl Kaffee zubereiten werden? Im Jahr 2041 wird man das ja sicher nicht mehr selbst machen müssen. 

© BAM! | Marietta Dang

In zehn Jahren werden fliegende Minidrohnen alles für die Menschheit erledigen und die in den menschlichen Gehirnen verpflanzten Mikrochips werden dafür sorgen, dass der Kaffee bereits zubereitet wird, noch bevor der Mensch selbst weiß, dass er einen haben will. Aber im Jahr 2031 muss Roland das halt noch selbst erledigen. 

Danach geht es zurück zum Computer, weiter im Text. Wo war er stehengeblieben? Ah ja, der Zukunftskongress. Aber mit dem war er eigentlich fertig. Wie wohl die Menschen im Jahr 2041 die Ereignisse in Rolands Gegenwart bewerten werden? 

Roland dachte zurück an das Jahr 2021 und daran, was in zehn Jahren alles passieren kann. Damals herrschte nicht gerade Aufbruchsstimmung. Die Coronapandemie hatte die Welt fest im Griff und die steigenden Arbeitslosenzahlen sorgten für große Sorgenfalten. Der oft zitierte Pflegenotstand war ein Dauerthema. Zudem war die Alpenrepublik, wie so viele andere Länder der Welt, immer wieder von schweren Naturkatastrophen heimgesucht worden. 

Hätte ihm damals ein Orakel aus der Zukunft prophezeit, dass Österreich im Jahr 2031 so gut dastehen werde, er hätte es nicht für möglich gehalten. 

© BAM! | Marietta Dang

Roland klappt den Laptop zu. Der Text ist fertig. Und irgendwie erfüllt ihn ein Gefühl der Zufriedenheit. Nicht nur mit seinem Text, sondern mit der Entwicklung, die Österreich in den vergangenen Jahren genommen hat. Eine Entwicklung, die ihm mal wieder vor Augen hält, dass es sich lohnt, sich zu engagieren und für seine Interessen einzutreten. Denn nichts von all dem wäre passiert, wenn er und all die anderen engagierten Menschen im ganzen Land sich in den vergangenen zehn Jahren nur zurückgelehnt hätten.

Über Lukas Pellmann:

Lukas Pellmann wurde 1979 in Essen/BRD geboren und lebt seit 1990 in Wien. Seit 2015 hat er mehrere Kriminalromane sowie mit „Prater“ auch einen dystopischen Heimatroman veröffentlicht. Daneben schreibt Lukas Pellmann u. a. Kurzgeschichten mit Usern von derstandard.at, bloggt auf www.booksinvienna.at und organisiert Ausstellungen mit der Instagram-Community.

Über Marietta Dang:

Die gebürtige Wienerin hat der Vorstadtidylle Lebwohl gesagt, um im bunten Hernals zu leben. Nun kann sie ihrer Leidenschaft als Visual Storyteller nachgehen und genießt neben ihrer Anbindung an die Kunst- & Theater-Szene auch den Schokoladenduft der nahegelegenen Mannerfabrik. In ihrer Freizeit findet man die Halbvietnamesin hinter Philosophiebüchern und einem Teller Sommerrollen, oder auf @mariettadang.