Zwischen #StopAsianHate und dem Aufwachsen in Österreich

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Im Zuge der Corona Pandemie sind Rassismus und Hass gegen die asiatische Gemeinschaft drastisch angestiegen und unsere sozialen Medien sind wieder voll mit Unterstützung-Posts, Hashtags und Storys. Das lässt es so wirken, als ob Rassismus gegenüber der asiatischen Gemeinschaft etwas Neues ist. Als Vietnamese in Österreich musste ich schon früh lernen, wie man dem Rassismus ins Auge sieht.

Angehörige der Asiatischen Gemeinschaft haben vermehrt Angst ihr Haus zu verlassen, aus Sorge angegriffen zu werden oder als „Corona-Verbreiter“ beleidigt zu werden. In Österreich sind Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in die Kultur eingraviert, ironischerweise sind diese Begriffe manchen Österreicher*innen jedoch fremd. Angelegenheiten in Bezug auf Rassismus werden wie Märchen aus den USA behandelt.

In Wahrheit sind diese Nachrichten und Geschichten jedoch keine Fiktion, sondern für viele POC-Personen die pure Realität, in der man versucht zu überleben. Auch in Österreich.

© Lucas Nguyen

Erste Kontakte

Aufgrund meines Aussehens wurde ich angespuckt, „Tsching Tschong“ genannt und auch die klassische Schlitzaugen-Mimik wurde jedes Mal gemacht, wenn mich andere Kinder gesehen haben. Die Erkenntnis, dass dieses Gefühl von Entfremdung den Namen Rassismus trägt, kam jedoch erst viel später. Mit 5 Jahren wusste ich das nicht.

Für mich waren es anfangs einfach Dinge, durch die jede*r als Kind gehen musste und die einfach normal waren.

Wenn ich meine Eltern gefragt habe, was ich tun soll, wurde mir beigebracht, anstößige Anmerkungen einfach zu ignorieren, mich auf die Schule zu konzentrieren, die reifere Person zu sein und es nicht persönlich zu nehmen.

Schließlich sind Kinder „einfach kindisch“ und wissen nicht, was sie sagen.

© Lucas Nguyen

Für viele aus der asiatischen Gemeinschaft, die diesen Text lesen, wird diese Art des Umgangs mit Rassismus sehr bekannt sein. Stets still zu sein, nicht zurückzureden, höflich zu sein und seine eigene Position zu kennen, waren fundamentale Eckpunkte in meiner Erziehung. Was den Ruf nur bestärkt, dass Asiaten die „Vorbildliche Minderheit“ im Westen sind.

Diese Art des Umgangs hat sich schon so tief in die Wurzeln der Lebensweise der asiatischen Migrant*innen eingraviert, dass es Teil der Kultur und Verhaltensweise wurde. Der/Die stereotypische Asiat*in, der/die still ist, Befehle befolgt und hart arbeitet, ohne nach mehr zu fragen.

Die Asiat*innen wurden von westlichen Medien, Filmen und der Wunschvorstellung von Asiat*innen so stigmatisiert und marginalisiert, dass dieses Bild langsam zu deren Identität wurde, in die sie hineingezwungen werden.

© Lucas Nguyen

Identitätskrisen

Auch ich hatte eine Zeit, in der ich mich so verwirrt in meiner Identität gefühlt habe (und es manchmal noch immer tue), weil ich nicht in dieses Bild gepasst habe. Nur durchschnittlich in Mathematik zu sein, nicht gut Klavier spielen zu können wie andere Kinder, andere Träume als Arzt werden zu haben. Für eine Zeit lang habe ich nach diesem „Traum“ gegriffen. Ich habe versucht, diesem westlichen Bild zu entsprechen, diese Vorbild-Minderheit zu sein.

Bis ich zu einem Punkt gekommen bin, an dem ich diesen Stereotypen verkörpert, gelebt und internalisiert habe. In der Hoffnung glücklich zu werden, habe ich realisiert, dass dieser Punkt in meinem Leben der Unglücklichste war.

© Lucas Nguyen
© Lucas Nguyen

Je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr habe ich realisiert, wie viel Einfluss diese westlichen Erwartungen auf meine Persönlichkeitsbildung gehabt haben. Ich wollte immer weniger asiatisch sein, habe aber gewusst, dass ich das nie ändern kann.

Jetzt habe ich damit abgeschlossen. Habe mich damit abgefunden, dass die Welt einfach so funktioniert, wie sie funktioniert und habe eines erkannt: Wenn ich etwas für mich ändern will, muss ich dagegen laut sein. Dagegen aufstehen. Dagegen kämpfen.

© Lucas Nguyen

Was heute wichtig ist

Als Asiate wird man dazu erzogen, den Rassismus und den Hass zu ignorieren und zu vergessen. Genau das ist der Grund, warum es jetzt – wo die Hass-Taten und der Rassismus vermehrt vorkommen – so scheint, als ob Rassismus und Hass gegen die asiatische Gemeinschaft erst begonnen haben. Weil es von den eigentlichen Betroffenen früher nicht thematisiert wurde.

Aber jetzt – wo das Fass am Überlaufen ist und eine neue Generation an jungen asiatischen Personen genug hat, den Stereotypen treu zu bleiben und die „Vorbild Minderheit“ zu sein, still zu sein, zuzusehen, wie Freunde und Verwandte angespuckt, beleidigt und angegriffen werden – sehen wir die Gemeinschaft zusammenkommen. Gemeinsam gegen Rassismus.

 

Es ist Zeit, dass wir unsere Geschichte erzählen und uns damit befassen, dass auch wir unter dem Rassismus des Westens leiden. Für eine bessere Zukunft. Für eine angstfreie Zukunft.

Denn heute reicht es nicht mehr, „nicht rassistisch zu sein“, heute muss man anti-rassistisch sein.

Über Lucas

Ist in Wien geboren und aufgewachsen, wurde jedoch irgendwann in die Untiefen des mysteriösen Niederösterreichs geschleppt und lebt seither dort. Mit einem großen Lächeln und einem Gespür für sozio-politische Angelegenheiten, gibt er sich ganz dem Fotografieren, Schreiben und Kreieren hin. Mehr von ihm findest du hier: @lucasnguyenp