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Hör' dir Jaquelines Kolumne hier an
„Wann lässt du dir deine Zähne richten?“ So oder so ähnliche Nachrichten bekomme ich immer wieder in mein Postfach gespült. Manche Kommentare sind deutlich herablassend formuliert, andere kommen aus einer naiven Neugierde.
Was diese Nachrichten gemeinsam haben, ist der Trigger, den sie bei mir auslösen. Ich lebe seit 27 Jahren mit einer Zahnfehlstellung. Lange Zeit hat es mir große Scham bereitet, mit offenem Mund zu lachen, auf Fotos zu lächeln und allgemein öffentlich zu sprechen.
Wie viele Dinge an mir, die ich früher als Mangel und Unvollkommenheit ansah, habe ich mir mein heutiges Selbstbewusstsein durch Reflexion und positive Vorbilder erarbeitet. Ich habe vor allem in den letzten Jahren festgestellt, dass ich meinen Fokus und meine Werte auf andere Dinge stütze, als rein äußerliche Faktoren. Ich habe mein Spektrum an Ästhetik und mein Empfinden von Schönheit um die Vielfalt, die uns in der Gesellschaft geboten wird, erweitert, anstatt mich darauf zu stützen, was durch Werbung und Medien vermittelt wird.
Mittlerweile löst es Wut in mir aus, wenn mich jemand auf das Offensichtliche hinweist. Generell gilt: Was man nicht innerhalb weniger Momente zurechtrücken kann (z.B. Speisereste zwischen den Zähnen), sollte man einfach unkommentiert lassen. Kommentare über das Aussehen anderer Menschen können tiefgreifende Traumata triggern oder sind schlicht und ergreifend unnötig. Niemand trägt einen Nutzen davon, wenn man Äußerlichkeiten bewertet.
Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich in einer einkommensschwachen Schicht aufgewachsen bin. Es gab Zeiten, da war nicht genug Geld für neue Schulsachen oder Kleidung da. Meine Mutter habe ich oft nur zwischen ihren Arbeitsschichten gesehen und habe miterlebt, wie sie sich aufgeopfert hat, um mir ein Mindestmaß an Normalität zu bieten. Größere Ausgaben konnte sie kaum bewältigen. Ich trug Kleidung aus Katalogen, die man in Raten bezahlen konnte, das Einkaufsbudget für Essen war streng rationiert. Mir fehlte es an nichts Wesentlichem, aber trotzdem war der Unterschied zu anderen Kindern in der Schule signifikant.
Eine Zahnspange war in meiner Kindheit keine Ausgabe, die leistbar gewesen wäre. Natürlich war ich bei Ärzt*innen, es wurden Kostenvoranschläge und Behandlungspläne erstellt. Meine Mutter konnte sich das zu diesem Zeitpunkt aber schlicht und ergreifend nicht leisten. Das eigentliche Problem an der Sache liegt allerdings auf einer Metaebene: Es besteht ein Zusammenhang zwischen Einkommensschicht und Normschönheit, ebenso wie zwischen Armut und Gesundheit.
Unter den Gesundheitssparten ist es vor allem die Zahnmedizin, die einen hohen Anteil an Privatleistungen verankert hat. Es ist kein Zufall, dass Menschen, die ein geringes Einkommen haben, häufiger Probleme mit ihrer Zahngesundheit haben. Das hat in weiterer Folge Auswirkungen auf die Attraktivität. Denn ebenso wie andere Bereiche des Körpers, die nach außen hin sichtbar sind und sich nicht dem hohen Standard an Normschönheit fügen, ist es nicht nur ein Gesundheitsthema, sondern auch Angriffsfläche und stetig Bewertung und Betrachtung ausgesetzt.
Ich möchte hiermit ein Bewusstsein dafür schaffen mit welcher Selbstverständlichkeit wir das äußere Erscheinungsbild anderer Menschen beurteilen und, dass wir mehr darüber reflektieren sollten. Denn Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale zu beurteilen, ist ein Umstand, der keinen Platz in einem gesellschaftlichen Miteinander hat.
Vor allem online erlebe ich eine signifikante Senkung der Hemmschwelle das Äußere anderer zu kommentieren. Dabei spielt es keine Rolle, welche Intention der Kommentar hat – meistens ist es nicht verletzend gemeint – doch schon alleine die Tatsache an sich legt den Finger auf Wunden, die dabei sind zu heilen. Genau deshalb ist es mir wichtig, aufzuzeigen, woher ich komme, dass es nach wie vor eine beunruhigende Unverhältnismäßigkeit im Einkommenssektor gibt und welche Folgen das mit sich zieht. Ich plädiere dafür, dass wir uns endgültig abtrainieren oberflächliche Merkmale von Menschen zu kommentieren. Sei es ihr Gewicht, die Beschaffenheit ihrer Haut oder eben ihr Gebiss.
Vielleicht werde ich meine Zahnfehlstellung in Zukunft mit einer Zahnspange behandeln lassen. Nicht, weil ich mich der Normschönheit annähern will, sondern aus gesundheitlichen Gründen. So oder so lächle ich heute mit breitem Mund. Es ist meine kleine Rebellion, gegen das System, das für Menschen wie mich keinen geraden Weg vorgesehen hat.
Über Jaqueline
Als Sozialarbeiterin und Feministin eher an Problemlösungen interessiert, wirft sie in ihren Texten und Kolumnen meist Fragen zu Identitätsfindung, Körperbewusstsein, und einer Bandbreite an tiefen Emotionen auf. Neben Sprachgewitter teilt sie die alltägliche Ästhetik ihrer Wahrnehmung auf ihrem Instagramaccount minusgold.
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