Aus dem Van: Hinter der Insta-Kulisse von Vanreisenden

  • Lesedauer: 3 Minuten

Auf Social Media finden sich unzählige Vanreisende, die ihre schönsten Augenblicke mit der Welt teilen wollen. So auch ich. Posts, Videos und Captions verzücken mit malerischen Aussichten aus den ausgebauten Vans und laden zum Tagträumen ein. Schön und gut. Aber wie schaut’s eigentlich hinter den rosigen Kulissen aus und wie gehen Vanlebende mit dem aktuellen Weltgeschehen um? Hier mal ein bisschen Real Talk. 

 

Extreme Mückenplagen, wochenlange Schlechtwetterphasen, überall Staub und Schmutz, limitierte Wasser- und Stromversorgung, die ständige Gefahr von Unfällen, Einbrüchen und kaputten Autoteilen. Das sind nur ein paar von vielen unerwünschten Klassikern, die das Vanleben so mit sich bringt.

Doch es gibt noch ein paar mehr Nachteile, die sich vermehrt in den letzten paar Jahren bei uns Vanreisenden entwickelt haben und von denen man nach wie vor kaum etwas auf Social Media findet. Bereit für die Wahrheit?

© Romy

Wie es hinter den Kulissen in Zeiten wie diesen wirklich aussieht

 

Jure, ein Freund von mir, lebt seit ein paar Jahren in seinem Van und hält sich derzeit irgendwo in Portugal auf. Auch er wirkt in jeder Story und jedem Post super happy und unbeschwert. Obwohl ich es eigentlich besser wissen sollte, ertappe ich mich manchmal selbst dabei, wie ich mir denke “kein Wunder! Die Orte, an denen er derzeit lebt und die Gerichte, die er täglich isst, sehen ja auch absolut traumhaft aus!“

 

Zurück in der Realität angekommen, weiß ich aber, dass der Schein trügt. Auf meine Frage, wie es ihm derzeit geht und wie er mit dem aktuellen Weltgeschehen umgeht, antwortete er mir: “Ich bin ein sehr positiver und gelassener Mensch und liebe mein Leben im Van, aber mit all dem umzugehen, was aktuell in Europa und generell auf der Welt passiert, fällt mir nicht leicht. Ganz besonders nicht, wenn ich Angst schürende Nachrichten lese. Das tut meiner psychischen Gesundheit nicht gut und da bringen mir schöne Aussichten aus dem Van auch nicht mehr wirklich viel.“

© Romy

Aus Selbstschutz aufs Nachrichtenlesen verzichten

 

Da habe ich mal wieder die Bestätigung, dass Social Media und der erste Eindruck nicht das widerspiegeln, was im Menschen tatsächlich vor sich geht. Ich sage es ganz ehrlich: Ich versteh’s. Auch wenn ich es eigentlich wichtig finde, up to date zu bleiben, lese ich so gut wie keine Nachrichten mehr. Die machen mir als Alleinreisende mehr Angst, als dass sie mir helfen.

 

Das Leben im Van kann zur Isolationsfalle werden

Was die ästhetischen Bilder auf Instagram und Co. ebenfalls nicht deutlich veranschaulichen, ist die Gefahr der Selbstisolation. „Ich habe schon oft mitbekommen, dass sich Vanreisende isolieren und kaum mehr Kontakt zu Freund*innen und Mitmenschen haben. In diese Isolationsfalle bin auch ich fast hineingerutscht. Der Auslöser war der Weltschmerz, der mich kurzzeitig dazu gebracht hat, mich von allem und jedem abschotten zu wollen. Sich zu isolieren ist ganz besonders im Van total einfach, da man durch seine Ungebundenheit quasi sofort an total einsame Orte fahren kann. Aber natürlich ist das kein gesunder Weg, mit Krisen umzugehen“, so Jure.

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Das kann ich nachvollziehen, denn auch ich tendiere zur Selbstisolation, obwohl ich weiß, dass es mir im Prinzip nicht gut tut. Ich glaube, dass insbesondere Alleinreisende, wie Jure oder ich, davon gefährdet sind. In dieser Angelegenheit habe ich mir angewöhnt, sofort einer Freundin oder einem Freund zu schreiben, sobald ich mich wieder dabei erwische, mich abzuschotten. Das hilft mir oft sehr dabei, mich gar nicht erst wieder in eine Selbstisolation zu bringen.

Die steigenden Preise als weiterer Stolperstein des Vanlebens

 

Die meisten Leute, die in einem Van Urlaub machen und reisen, wollen nicht zwingend jeden Cent umdrehen. Auch ich habe es mir vor fünf Jahren auf meiner ersten großen Reise im Van gut gehen lassen und nicht andauernd aufs Geld geschaut.

 

Doch heutzutage schaut es diesbezüglich ganz anders aus. Der finanzielle Gürtel muss aktuell sehr viel enger geschnallt werden. Nicht nur bei mir, sondern bei all meinen Freund*innen und Bekannten. Jure verrät: “Die Teuerungen bekommt man sowohl im Lebensmittelladen, als auch in der Apotheke oder an der Tankstelle schmerzlich zu spüren. Als Freelancer habe ich kein regelmäßiges Einkommen, also muss ich derzeit finanzielle Vorsicht walten lassen.“ 

© Romy

Dito. Als Freelancerin muss auch ich derzeit viel sorgfältiger mit meinem Einkommen haushalten. Um Geld zu sparen lebe (aka parke) ich an einem Ort, koche selbst und minimiere meine sonstigen Ausgaben.

Hinter jedem schönen Foto steht ein Mensch mit unschönen Problemen

 

Mein Freund Jure und ich sind uns einig, dass das (Van-)Leben oft chaotisch, herausfordernd und einschüchternd ist. Wir haben, genau wie alle anderen Menschen, mit Weltschmerz, Zukunftsängsten, psychischen Schwierigkeiten, finanziellen Problemen und anderen Sorgen zu kämpfen. Die Kehrseiten von all den malerischen Fotos mit Ausblicken, die die Wanderlust wecken, sieht man also nur, wenn man sie hinterfragt.

 

Dreamy posts sind voll ok, doch darf man nicht vergessen, dass dahinter immer ein Mensch steht, der sich und seine Probleme nicht einfach „wegfiltern“ oder „wegreisen“ kann. Instagram hat mit dem echten Vanleben weniger gemeinsam, als es auf den ersten Blick aussieht. So schön der Van selbst auch sein mag, so lecker das Campingessen auch aussieht und so gemütlich das Bett auf Rädern auch wirkt, das sind alles keine Indikatoren für ein gänzlich sorgenfreies und glückliches Leben. Mein gemütlicher Van, der mir Ungebundenheit und Flexibilität ermöglicht, macht mich jeden Tag aufs Neue sehr dankbar und hilft mir mit meiner Anxiety, aber gänzlich nehmen kann er sie mir nicht. Schön wäre es.

Über Romy

Die freie Autorin aus Beverly Hietzing liebt charmante Altbauwohnungen, tauscht diese aber dennoch gegen wenige Quadratmeter auf vier Rädern ein. Menschenleere Platzerl an Seen sind ihr Zuhause, ein selbstgebauter Schreibtisch ihr Büro, Gelsen ihre Feinde und Kaffee ihr Frühstück. Manchmal auch Mittagessen. @rollingatelier