Hinter den Bergen: So geht Grüßen auf Österreichisch

  • Lesedauer: 2,5 Minuten

Nirgends zeigt sich der Unterschied zwischen Stadt und Land so sehr wie beim Grüßen. Wer nun wen, wann und vor allem wo grüßt, möchte ich in dieser Kolumne erklären. Denn wir wären nicht in Österreich, wenn es nicht Ausnahmen und österreichische Lösungen geben würde.

Die schlechte Nachricht zuerst: Gegrüßt wird überall anders. Das macht es für Nicht-Österreicher*innen nicht gerade einfacher, die Etikette zu verstehen. So existieren riesengroße Unterschiede zwischen dem Grüßen am Land und in der Stadt. 

 

 

Von klein auf lernte ich, dass ich andere Menschen brav grüßen muss und den Mund dabei gscheit aufmachen soll. Als ich dann zum ersten Mal eine für mich große Stadt besuchte (also, halt Linz oder Wels), verstand ich überhaupt nicht, warum sich dort plötzlich niemand mehr auf der Straße grüßte. 

via GIPHY

Aus meinem Dorf war ich es schließlich gewohnt, alle zu grüßen. Die meisten kennt man sowieso, eh klar. Aber auch alle anderen bekommen ein “Griaß di!”, “Grüß Gott!”, “Serwasss!” oder “Pfiat di”. Aus der peinlichen Situation auf der Linzer Landstraße (die wichtigste Einkaufsstraße der Stadt), wo ich alle meine Mitmenschen durchgrüßte und sie mich entweder fassungslos anstarrten oder ausgelacht haben, lernte ich, dass es wohl einen Unterschied geben muss. 

© Pixabay

Nur die aus der Stadt griaßn net

Am Land grüßt man. Immer und überall. Wer das nicht macht, ist aus der Stadt und disqualifiziert sich damit selbst. Denn die aus Wien haben schließlich alle keine Ahnung, weil sie kein Haus und meistens kein Auto haben, und arrogant sind sie auch noch. Aja und gschert reden tun sie sowieso. 

Aber zurück zum Thema: Grüßen.

Brav alle grüßen gehört dazu. Meistens duzt man sich dabei auch. Selbst vorbeifahrende Autos und Traktoren deutet man ein “Serwasss!” zu. Wenn ich im Auto meiner Eltern fahre, dann grüßen mich sowieso alle – besonders höflich. Denn meine Eltern sind beide Lehrer*innen und die Hälfte der Menschen, angefangen beim Polizisten bis hin zur Ärztin, hatten sie schon in ihrer Klasse. Auch wenn meine Eltern längst in der Pension sind, der Respekt für die Frau Lehrerin und den Herrn Lehrer, der bleibt.

Wer hat hier die Ehre?

In der Stadt ist natürlich jedem wurscht, wer deine Eltern sind. Dort gilt die Devise: Wer grüßt, will etwas und macht sich damit verdächtig. In Wien kann schon ein kleines Zunicken als Provokation gelten und fatale Folgen haben. Die Kinder in der Stadt lernen: Wenn wer fragt, wo du wohnst, lauf davon. Sprich ja mit niemanden, schon gar nicht mit Fremden. 

 

Allein im Grätzel, wo man sich kennt, wird manchmal gegrüßt. Da hört man vielleicht auch das alteingesessene “Habe die Ehre!”, das mittlerweile die jungen Menschen wiederbeleben und ein “d’ehre!” daraus machen.

via GIPHY

Eine Straße weiter kennt sich dann aber wieder niemand, auch wenn man sich vielleicht schon x-mal gesehen hat. Ja selbst im eigenen Stiegenhaus merkt man schnell den Unterschied zwischen den Stadt- und den Landkindern. Die Weaner*innen sind die, die ihren Mund nicht aufkriegen und die, die alle brav grüßen, sind die Zuagroastn.

Nachdem ich mich hauptberuflich mit Österreich beschäftige, dachte ich, die Etikette endlich verstanden zu haben: Am Land immer brav alle grüßen, in der Stadt nur in speziellen Situationen und dann per Sie

Und doch blamierte ich mich. Ich dachte, am Berg sind alle per Du. Selbst die Chefin oder den Bundeskanzler darf man dort schließlich duzen. Mit einem Baby auf dem Arm und den Wanderschuhen am Fuß begegnete ich zwei älteren Damen aus Linz – ebenfalls im Wanderoutfit. 

 

Jetzt gilt Linz Umgebung natürlich nicht als Gletscherüberquerung, aber ich grüßte die beiden recht freundlich mit “Griaß eich!”

Die beiden waren so verwundert, dass ihnen vor Schreck fast die Walking-Stöcke aus den Händen gefallen sind. Und mir wurde klar, dass die Bergregel wohl erst ab einer gewissen Anzahl an Höhenmetern gilt.

 

 

via GIPHY

Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.