Hinter den Bergen: Warum Österreich seine Bälle so liebt

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Bodenlange Kleider, Hochsteckfrisuren, Frack, Würstel und Champagner – all das findet man auf den Wiener Traditionsbällen. Mit November startet offiziell die Ballsaison. Auch wenn dieses Jahr alles anders ist, möchte ich mir diese österreichische Tradition genauer ansehen.

Mit dem Faschingsbeginn am 11. November läuft in Österreich offiziell auch die Ballsaison an. Zumindest wäre das so, wenn nicht eine Pandemie das Land erschüttern würde. Auch wenn dieses Jahr keine (oder eben weniger) Bälle stattfinden werden, will ich mich dieser österreichischen Spezialität widmen. Denn in schicken Kleidern überteuerten Fusel zu schlürfen, Walzer zu tanzen und darin eine eigene Kultur zu sehen, das gibt es nur in Österreich. 

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Für alle einen Ball 

In normalen Wintern finden um die 400 Bälle allein in Wien statt. Sie wurden selbst in die UNESCO-Liste für immaterielles Kulturerbe einmal aufgenommen, wenn auch wieder gestrichen, aber dazu später mehr. Die Veranstaltungen tragen klingende Namen wie Opernredoute, Philharmonikerball, Violette Redoute, Zuckerbäckerball, Opernball, Kaffeesiederinnenball, Jägerball, Ärztinnenball, Rauchfangkehrerball oder Ländle-Ball. 

Die meisten Ballveranstaltungen werden von Institutionen wie Universitäten, Schulen, Berufsgruppen, Verbänden und Vereinen getragen. So scheint es für so gut wie alle einen eigenen Ball zu geben. 

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Wiener*innen besonders Ball-erfahren 

Grundsätzlich gilt es aber unbedingt zu unterscheiden zwischen dem klassisch ländlichen Ball und dem städtischen Wiener Ball. Am Land opfert man die Eleganz eher mal für den Alkoholgenuss. Ballabende sind da genauso wie jedes Zeltfest, nur, dass man sich eben ein bisschen mehr bemüht, was man anzieht. 

Ein Ballbesuch ist grundsätzlich immer teuer – am Land etwas weniger als in der Stadt. Für Eintritt, Outfit und Getränke muss man Einiges springen lassen. Laut Wirtschaftskammer Wien im Durchschnitt sogar 290 Euro pro Person. Mit einem Umsatz von 151 Millionen pro Jahr sind Bälle nicht nur ein Teil österreichischer Identität, sondern somit auch ein wichtiger Wirtschaftszweig. Luxus und Konsum sind das Motto dieser Nächte. Denn wer es sich nicht leisten kann, bekommt auch keinen Dreivierteltakt. 

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Ein bisschen Monarchie spielen 

Österreich hält ja sowieso gerne an Altbekanntem fest. An diesen Ballabenden dreht man also auch die Uhr zurück und bedient sich vieler alter Traditionen aus dem 18. Jahrhundert. Demnach gelten strenge Kleidervorschriften, es wird immer ein Eröffnungsfanfare gespielt, Debütant*innen ziehen feierlich ein, es wird „Alles Walzer!“ gerufen, eine Mitternachtseinlage gespielt und Damen bekommen ein Geschenk (Damenspende) beim Eintritt. Ein bisschen wirkt es ja, als spiele man Monarchie zwischen all den Fächern und Fracks.

Ich erinnere mich noch an mein eigenes Debüt. Ja, auch ich quälte mich durch einen Tanzkurs, zertrümmerte so einige Zehen und wurde schließlich in die Gesellschaft eingeführt. Mit einem Sträußchen in der Hand wirbelte ich durch einen beigen Gemeindesaal irgendwo in der Pampa in Oberösterreich. Wirklich tanzen kann ich bis heute nicht, aber ich debütierte und darum ging es schließlich damals. An dem Abend trank ich dann viel zu viel Sekt Orange, was recht unschön ausging. Sagen wir es so, ich war froh, dass mein Kleid nie weiß war. 

Neben dem sogenannten “Auftanzen” bleibt den meisten wohl auch der Maturaball im Gedächtnis. Nie wieder Schule, dafür peinliche Reden und Lose verkaufen, um auf der Maturareise alles Gelernte wieder wegzufeiern.

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Alles Walzer! 

Auch wenn bei Bällen gerne die Unterhaltung in den Vordergrund gerückt wird, sind sie doch oft direkt oder indirekt politisch. Gegen den Opernball demonstrieren etwa seit vielen Jahren Menschen. Genauso wie gegen den rechten Akademikerball. Wegen letzterem wurden übrigens gleich alle Wiener Traditionsbälle aus der UNESCO-Liste gestrichen. 

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Was macht die Wiener Bälle aber trotzdem so beliebt? Der prominente Wiener Tanzschullehrer Thomas Schäfer-Elmayer muss es schließlich wissen: “Den größten Unterschied machen die Wienerinnen und Wiener aus, die äußerst ballerfahren sind und wissen, dass die Gäste selbst die wichtigsten Akteure sind.”

Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.