Sprachgewitter: Consent oder wenn Ja wirklich Ja bedeutet

  • Lesedauer: 3 Minuten

Kennst du das Gefühl, wenn Wärme sich in deinem Körper ausbreitet und auf dem Weg dahin in Hitze umwandelt? Wenn es sich anfühlt, als wäre jeder Muskel angespannt, dein Blick klar und fokussiert und deine Sinne geschärft?

Du riechst dein Gegenüber und es kommt dir vor, als würde sich dein gesamter Blutkreislauf in die Mitte deines Körpers verflüchtigen. Dann spürst du jede Berührung, wie einen sanften, aber deutlichen elektrischen Schlag auf der Haut. Vielleicht spitzt du deine Lippen, oder ballst die Faust, um die Anspannung zu kompensieren. Es ist, als läge sich ein betörender Nebel um dich und darin existierst einzig allein du und dein Subjekt der Begierde.

Der Unterschied zwischen Consent und Wollen

 

So fühlt sich Wollen an. Oder: So kann sich Wollen anfühlen. Wenn wir über Sexualität und Consent sprechen, reicht Wollen jedoch nicht aus. Sexualität beinhaltet viel mehr als einen körperlichen Impuls. Wir wollen uns sicher fühlen, die Umgebung muss stimmig sein und auch die Tagesverfassung spielt eine Rolle. 

 

Gespräche über einvernehmliche sexuelle Aktivitäten sind spätestens seit der #MeToo Debatte in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir müssen uns darüber austauschen, inwiefern dem Wollen auch eine Tätigkeit folgt und dafür ist vor allem ein Verständnis für die eigene (Körper-)Wahrnehmung wichtig.

© Cansu Tandogan

In meinem Studium der Sozialen Arbeit habe ich viel zu Sexualität und Körper gelernt, um es später in meinem Berufsleben vor allem Kindern und Jugendlichen weiterzugeben. Daraus ergibt sich für mich eine einfache Formel, die man schon mit sehr jungen Menschen in abgewandelter Form besprechen kann und dennoch auch bei Erwachsenen nicht an Relevanz verliert.

Wie du Zustimmung bemerkst

 

Einvernehmen gliedert sich für mich auf drei Ebenen:

 

1. Auf der ersten Ebene liegt der Verstand. Etwas, das man vermeintlich woanders verorten würde, wenn zwei oder mehrere Menschen aufeinandertreffen und Anziehung spüren. Man sagt „den Verstand verlieren“, dabei ist es an dieser Stelle wichtig, herauszustreichen, dass sämtliche Formen der Annäherung, einer klaren und bewussten Entscheidung bedingen – und die beginnt im Kopf. 

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2. Die zweite Ebene signalisiert mein Körper. Ich spüre Wollen genau da, wo es aufkommt und wie ich es einleitend beschrieben habe. Ich spüre das Bedürfnis, Distanz zu verringern und aufkommende Lust. 

Warum hierbei die Unterscheidung dieser zwei Ebenen so wichtig ist, liegt daran, dass es durchaus dazu kommen kann, dass eine der beiden Ebenen “Ja” sagt und die andere jedoch “Nein”. Ich kann Lust in meinem Körper verorten und dennoch nicht einer sexuellen Handlung nachgehen wollen. Das schwierigste Nein ist, wenn wir jemanden mögen oder möglicherweise schon Schritte gegangen sind, nonverbale Signale gesendet haben und dann jedoch an einem gewissen Punkt pausieren oder gar nicht fortsetzen möchten.

In den vergangenen Jahren erlebe ich wachsende Sensibilität für eben solche Situation, wobei sie im Detail für beteiligte Personen nach wie vor komplex bleiben. Hier kommt die eigene Körperwahrnehmung wieder ins Spiel: denn das Unterbrechen einer sexuellen Annäherung bedarf in erster Linie keiner Erklärung und kann trotzdem bei der Frage nach dem “Warum” mit einem “Das spüre ich nicht mehr” beantwortet werden.

© Cansu Tandogan

3. Auf der dritten Ebene liegt das Geschlechtsorgan. Auch das muss zustimmen und ein klares “JA” signalisieren, wenn es um Sex geht. Es ist ein simples Ampelsystem, das dir selbst dabei helfen kann zu verstehen, wann du wirklich Nähe möchtest und gleichzeitig eine Sicherheit und Legitimation in dir etablieren, um zu wissen: Sex oder sexuelle Handlungen passieren nur, wenn alle drei Ampeln auf Grün sind.

Wie du nach Consent sexy fragen kannst 

In der Debatte um Consent wird von manchen fälschlicherweise behauptet, es würde die Annäherung stören oder die Lust unterbrechen, als wäre Consent ein Formular, das man angestrengt ausfüllt. Dabei kann das Einholen von Einverständnis ebenso aufregend und sexy sein, wie die mögliche Handlung, die darauf folgt. Amorelie hat dazu ein paar reizende Phrasen gesammelt, die gleichermaßen anregend sind und auf Einvernehmen abzielen:

© Cansu Tandogan
  • Darf ich dich küssen/anfassen?
  • Hast du Lust auf Oralsex?
  • Was willst du mit mir anstellen?
  • Wie wollen wir verhüten?
  • Wie weit wollen wir heute gehen?
  • Was wäre, wenn ich …?
  • Ist es okay für dich, wenn ich …?
  • Wie denkst du über …?
  • Soll ich weitermachen?

Stillschweigen, Starre oder keine Äußerung von Zustimmung ist dabei immer als deutliches “Nein” zu interpretieren und akzeptieren. Menschen, die aufgrund von Beeinträchtigung oder Bewusstseinsveränderung nicht in der Lage dazu sind, ihre Zustimmung zu geben, bedeuten immer ein klares “Nein”.

Gespräche über einvernehmliche Sexualität erhöhen den Schutz in unseren vulnerablen Bereichen, unserer körperlichen und psychischen Unversehrtheit und sie bieten – entgegen vieler Annahmen  – ein erfüllteres und freies Agieren in und Ausleben unserer Sexualität.

Über Jaqueline

Als Sozialarbeiterin und Feministin eher an Problemlösungen interessiert, wirft sie in ihren Texten und Kolumnen meist Fragen zu Identitätsfindung, Körperbewusstsein, und einer Bandbreite an tiefen Emotionen auf. Neben Sprachgewitter teilt sie die alltägliche Ästhetik ihrer Wahrnehmung auf ihrem Instagramaccount minusgold.