Wie uns „Whataboutism” ein schlechtes Gefühl gibt, wenn wir Gutes tun und was du dagegen tun kannst

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Sagen wir, du erklärst jemanden, dass du dich aufgrund des Tierleides in der Fleisch- und Milchindustrie vegan ernährst und dann sagt jemand  „Ja, aber was ist mit den Schuhen, die du trägst, die sind aus Leder!“ Dann bist du damit auf klassischen  „Whataboutism“ gestoßen. Doch was ist  „Whataboutism” genau und warum degradiert diese Taktik das Gute, das wir machen? Wir versuchen’s zu erklären. 

 „Whataboutism” hat seinen Namen von der immer zu gleichen Frage, die im Zusammenhang mit dieser Taktik gestellt wird, nämlich  „What about…?”, was man auf Deutsch mit  „Was ist mit…?” übersetzen kann. 

Man kann die drei Punkte vor dem Fragezeichen dabei durch jedes beliebige Thema austauschen, das einem gerade so in den Sinn kommt. 

Wikipedia beschreibt „Whataboutism“ als  „eine Technik der Manipulation, durch die von unliebsamer Kritik abgelenkt wird, indem auf ähnliche oder andere wirkliche oder vermeintliche Missstände auf der Seite des Kritikers hingewiesen wird.” Das  „Ja, aber der Martin hat noch eine viel schlechtere Note bekommen!” der Erwachsenenwelt sozusagen. 

 „Whataboutism” wurde besonders häufig im Kalten Krieg benutzt und war damals bereits ein rhetorisches Mittel der Sowjetunion, um von ihren Problemen auf die des Westens zu lenken. Politiker*innen verwenden diese Methode auch heute noch, man findet  „Whataboutism” aber mittlerweile auch sehr häufig in der Kommentarsektion unter diversen Posts auf Social Media. Denn jede*r kann sich dieser Taktik bemächtigen.

 „Whataboutism“ in Österreich

Ein relativ aktuelles Beispiel in Österreich wäre etwa, wenn sich jemand für die Black Lives Matter Bewegung einsetzt und dann plötzlich auf Kommentare wie  „But what about all lives?” stößt. Dann ist das ebenfalls  „Whataboutism”. 

Wieso? Weil diese Aussage beziehungsweise Frage ein Problem, das gerade relevant ist, in den Hintergrund drängt und die Black Lives Matter Bewegung und ihre Forderungen demnach degradiert. Dass sich Leute der BIPOC Community durch solche Äußerungen schlecht fühlen, liegt auf der Hand. 

Oder aber, wenn es um die Flüchtlingsdebatte geht und sich jemand für geflüchtete Personen und deren Aufnahme in Österreich stark macht und dann mit Aussagen wie  „Aber was ist denn mit unseren Leuten, denen geht es ja auch nicht gut!” konfrontiert wird. Klar, gibt es hierzulande auch Personen, die Hilfe benötigen. Jedoch ist das gerade nicht der Mittelpunkt der Diskussion und lenkt von der Thematik, auf die gerade hingewiesen wird, mächtig ab. 

 „Whataboutism“ findet auch im privaten Umfeld statt

Nicht nur Influencer*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen oder andere Personen des öffentlichen Lebens haben mit  „Whataboutism” zu kämpfen. Auch dir ist das sicherlich schon einmal im Bekannten- oder Verwandtenkreis passiert. 

Bist du Veganer*in oder Zero Wastler*in, so hörst du sicher ständig  „Ja, aber was ist mit der Flugreise, die du letztens gemacht hast, das ist so umweltschädlich, da bringt der ganze Fleischverzicht bzw. der Verzicht auf Plastik ja nichts.”. Oder setzt du dich für die Gleichberechtigung von Frauen ein, so kam sicher schon öfter die Bemerkung  „Ja, aber was ist denn mit den ganzen Nachteilen, die Männer haben?”

Emotional aufgeladene Themen ziehen  „Whataboutism“ magisch an

 „Whataboutism” kommt in vielen verschiedenen Bereichen zum Einsatz. Diese Methode greift aber vor allem bei Themen, die emotional sehr aufgeladen sind und bei denen sich Menschen leicht persönlich angegriffen und ihrem Tun verunsichert fühlen. 

Leute, die sich mit  „Whataboutism” wehren, sehen diese Methode als Weg, sich aus der eigenen Verantwortung zu ziehen. Schließlich ist das auch viel einfacher als wirklich selbstkritisch zu sein und das eigene Denken und Handeln infrage zu stellen. Und wenn sich jemand anderer schlecht fühlt, ist das ja immer noch besser als wenn man sich selbst schlecht fühlen müsste…

 „Whataboutism” löst in vielen Fällen Selbstzweifel und Unsicherheit in dir aus, wobei du eigentlich nur versuchst, dich für etwas stark zu machen. Denn mal ehrlich, du hast dich nach so einer Konfrontation auch sicher schon mal gefragt  „Mache ich wirklich zu wenig oder nicht alles gut genug?  „Hat die Person mit ihrer Aussage vielleicht recht?” Und das obwohl du dir vorher eigentlich ziemlich sicher warst, dass dem bestimmt nicht so ist.

 

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Traveling on overcrowded trains through Germany. And I’m finally on my way home!

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Wie kannst du also mit  „Whataboutism” richtig umgehen?

Whataboutism lässt sich leider in den meisten Fällen nicht verhindern, es gibt aber ein paar Dinge, die du tun kannst, um damit besser umzugehen:

 

1. Die Gesprächspartner*innen direkt auf den Ablenkungsversuch hinweisen.

Und versuchen darüber zu sprechen, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. 

 

2. Hervorheben, dass es sich beim eigenen Handeln oder Denken nicht um eine Kritik am Gegenüber handelt.

Sondern um das gemeinsame Kämpfen für eine gute Sache und das Finden von Lösungen für aktuelle Probleme. 

 

3. Abstand und Zeit nehmen.

Besonders wenn die Diskussion online stattfindet. Diese wird oft auch sehr  „hitzig” und da hilft es, etwas Abstand und eine kurze Auszeit zu nehmen, um einen kühlen Kopf zu bewahren und die passenden Worte zu finden. So vermeidest du, dass du total emotional geladen in die Konversation einsteigst.

 

4. Im Zweifelsfall: Einfach überlegen, ob es die Diskussion wert ist.

Auch wenn dir Themen am Herzen liegen und du von anderen Gesagtes nicht einfach so stehen lassen willst, ist es oftmals für das eigene seelische Wohl am besten, nicht auf solche Kommentare einzugehen. Ganz nach dem Sprichwort:  „Der G’scheitere gibt nach, der Esel fliegt in den Bach.”

Wurdest du schon einmal mit “Whataboutism” konfrontiert? Wie ging es dir dabei und wie hast du dich gegenüber denen, die diese Taktik ausgeübt haben, verhalten? Lass’ es uns auf Twitter wissen!