Hinter den Bergen: Warum die Österreicher*innen so gut genießen können

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Es sich so richtig gut gehen lassen und sich etwas gönnen, darin sind die Menschen in diesem Land besonders gut. In dieser Kolumne erkläre ich, wie Joie de Vivre auf Österreichisch funktioniert und warum das Genießen so wunderbar zum Gemüt passt. 

Er wolle nach Wien auf Urlaub fahren, um zu chillen und dort im Kaffeehaus zu sitzen. Das erklärte mir ein Arbeitskollege in Berlin. In Berlin sei das unmöglich, denn erstens gebe es kein gescheites Kaffeehaus und zweitens seien alle immer im Stress. Ich staunte nicht schlecht, als er mir sagte, dass niemand so gut das Leben genießen könne wie die Österreicher*innen. Noch erstaunlicher mag das sein, weil er selbst halb Schwabe und halb Italiener ist und ich aus dem Bauch heraus gesagt hätte, dass uns Italien in Sachen Genuss doch noch einmal einige Schritte voraus ist.

 

Gemütlichkeit auf Österreichisch 

Aber beginnen wir am Anfang. Österreich verkauft das entschleunigte Lebensgefühl, die Wiener Kaffeehauskultur und Gemütlichkeit nicht nur in den Reiseführern, sondern die Menschen leben es auch. Nach dem Motto “Eh alles wurscht” lässt sich auch in schwierigen Zeiten entspannen. Wie gemütlich und schön wir uns das Leben oft mal machen, selbst wenn die Kacke vielleicht gerade am Dampfen ist, sieht man in den Kaffeehäusern.

© Vienna Würstelstand

Dazu noch eine Zeitung, eine Melange, ein Stück Torte und nur keinen Stress!

 

© Vienna Würstelstand

Nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Städten und am Land macht man sich das Leben schön. Gerade am Land muss aber differenziert werden, denn dort ist das Arbeiten sehr, sehr wichtig. Damit meint man nicht nur den Beruf, der ist ja das mindeste, sondern vor allem das Arbeiten in der Freizeit, im Garten, beim Haus, im Auto. Nach getaner Arbeit frönt man aber auch am Land dem Leben, der österreichischen Kulinarik und sehr gerne auch dem Alkohol.

via Unsplash | Matthieu Joannon

So geht österreichische Lebensfreude 

Der Begriff Joie de Vivre ist ja bekanntlich französisch und versucht alles rund um der Freude am Leben greifbar zu machen. Während man in Frankreich damit eher Freiheit, Rotwein und Sex verbindet, lässt es sich in Österreich auf Schnitzel, Topfentorte, Kaffee und viel Alkohol runter brechen.

Um möglichst viel davon abstauben zu können, schuf man auch gleich ein paar Redewendungen. Wie etwa Eine ruhige Kugel schieben, was in etwa bedeutet, dass man keinen Stress hat. Oder auch Aussagen wie Ja eh! Oder Passt scho! wurden geschaffen, damit man am Ende Dinge sicher nicht machen muss.

Denn in Österreich wissen schon die Kinder: In der Ruhe liegt die Kraft und manchmal ist aufgeschoben auch wirklich aufgehoben. Dazu zählt natürlich auch ab Freitagmittag ins Wochenende zu starten oder beim beruflichen Mittagessen ein paar Halbe zu trinken.

via Unsplash | Radovan

Ist doch eigentlich eh alles wurscht! 

Diese Einstellung führt logischerweise zu weniger Stress und weniger Arbeit, wovon schließlich die österreichische Joie de Vivre wieder profitiert. Die Menschen in diesem Land haben längst eine ausgeklügelte Wurschtigkeit entwickelt, die in vielerlei Hinsicht ziemlich problematisch sein mag. In Sachen Genuss und Lebensfreude kann man sie aber nur sympathisch finden.

 

Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.