Hinter den Bergen: Warum wir in Österreich beim Wandern so viel freundlicher sind als sonst wo

  • Lesedauer: 3 Minuten

Nirgends sind die Menschen so freundlich wie am Berg oder auf der Hütte. Plötzlich mögen sich alle, sind per Du und fühlen sich solidarisch. Warum das erst ab 500 Höhenmeter der Fall ist und nach dem Abstieg auch sofort wieder vorbei ist, thematisiere ich in dieser Kolumne.

“Grias eich!”, ruft der Wanderer aus der Weite zu. Er hebt die Hand und lächelt breit. Du zwinkerst. Wischst dir den Schweiß von der Stirn. Was will der? Sicher Geld oder dein Telefon benutzen! Weil du nicht antwortest, grüßt er nun nochmal – lauter und noch freundlicher. Als du verdattert zurückgrüßt, spricht er längst über das Wetter und über den Weg, der vor euch liegt. 

Die Menschen in Österreich sind für einiges bekannt. Dafür besonders gute Mehlspeisen zu machen, gerne in gemütlichen Kaffeehäusern zu verweilen oder sehr komisch zu sprechen. Das Land ist aber nun wirklich nicht dafür bekannt, besonders freundlich gegenüber Menschen und überhaupt Fremden zu sein.

Kaum geht es ein bisschen nach oben, wechseln die Menschen mit ihren Schuhen auch den Umgangston. Am Berg wird nicht nur freundlich gegrüßt, es wird kompromisslos geteilt und geholfen. Plötzlich haben sich alle gern. Wie geht das? Ich habe mir die Unterschiede genauer angesehen:

© BAM | Johanna

Am Berg sind alle per Du 

Selbst die Frau Doktor und der Herr Magister sind nach ein paar Höhenmetern, ja manchmal sogar schon am Parkplatz, plötzlich nicht mehr so wild auf ihren Status und mit allen per Du. Der Franz und die Elfriede wollen am Berg nicht ihren Beruf in den Vordergrund stellen und auch mal aus sich rausgehen. Während man am Tag davor bei der Zahnärztin noch mit dem Titel aufgerufen wurde, (und darauf auch bestand), will man am Berg mit den Menschen auf einer Ebene sein.

Gegrüßt werden alle 

Egal, ob mit dem klassischen “Grüß Gott!”, “Grias euch”, “Serwas” oder “Berg Frei!” – mit den Wanderschuhen scheinen die Menschen auch eine neue Etikette anzuziehen.

Während man sich sonst ausschließlich am tiefsten Land grüßt, und niemals in der Stadt, ist man am Berg erbost, wenn jemand nicht zurückgrüßt. Es ist in etwa vergleichbar mit den Menschen, die Motorrad fahren. Die grüßen sich auf der Straße schließlich auch alle. Egal ob auf der Harley-Davidson oder der größeren Vespa, zumindest ein Finger geht immer nach oben. 

© BAM | Johanna

Zusammen sind wir stärker 

Während man sonst oft auf das Solidaritätsgefühl der Menschen in Österreich warten muss (ja manchmal ewig) fühlen sich am Berg plötzlich alle vereint. Schließlich teilt man dasselbe Schicksal: Alle wollen rauf. Und alle teilen dabei ähnliche Probleme. Jede*r hatte schon mal eine Blase und freute sich über die Rettung eines Pflasters oder verlor im schlimmsten Fall einen Teil des Schuhs und wäre ohne das Tape einer anderen Person gar nicht mehr nach unten gekommen.

Übers Wetter reden und nach dem Weg fragen 

Ganz grundsätzlich spricht man am Berg gerne miteinander. Man plaudert mit denen, die runter kommen, munter über den Weg. Mit den anderen über das Wetter. Und beim Gipfelkreuz angekommen über vergangene oder zukünftige Wanderungen. Ja, man könnte sogar so weit gehen und sagen, am Berg interessieren sich die Menschen plötzlich füreinander. 

Alle willkommen, sogar die Deutschen 

Niemand wandert so gerne in den österreichischen Bergen, wie die Menschen aus dem Nachbarland. Die Deutschen haben es ja nicht immer leicht im Land, wenn sie auf Besuch sind, man erinnere sich an die Piefke Saga, aber am Berg sind sie mitunter gern gesehene Gäste. Sie sind top ausgerüstet, lassen keinen Müll zurück und schaffen es meistens ohnehin nicht so weit rauf.

© BAM | Johanna

Scherz beiseite. Zusammengefasst kann man sagen, wenn sich die Menschen in Österreich in ihrem Alltag ein bisschen mehr wie am Berg verhalten würden, hätten wir vielleicht einen besseren Ruf und auf jeden Fall ein schöneres Miteinander. Doch kaum verlässt man den Wanderweg und spaziert am Heimweg noch am Supermarkt vorbei, hört man die Menschen schon wieder grantln und sudern. Das Gemeinsame ist längst vergessen. Man ist am Boden der Realität angekommen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

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Über die Autorin, Eva

Eva Reisinger wuchs irgendwo im Nirgendwo in Oberösterreich auf. Sie war Österreichkorrespondentin für das junge Magazin des ZEIT-Verlags, kann einen Doppelliter Bier anschreien und am 14. Jänner erschien ihr erstes Buch „Was geht, Österreich?“. Sie lebt als freie Autorin in Wien.